Man darf sich vom Hass der anderen nicht anstecken lassen
So nachvollziehbar Hass als Reaktion auf ein Verbrechen ist, so hält er leider einen Menschen in einem negativen Zustand gefangen und schwächt seine Seele. Georg Pieper weiß: „Hass führt zu Anspannung und einer eingeengten Sichtweise. Wir dürfen uns vom Hass der anderen nicht anstecken lassen.“ Weder vom Hass der Islamisten noch vom Hass der Rechtspopulisten oder der Rechtsextremisten. Er macht diese Menschen nach der Ansicht von Georg Pieper außerdem viel wichtiger, als sie eigentlich sind. Und wenn man sich dem Hass gegen sie hingibt, begibt man sich auf die gleiche Stufe mit Leuten, die man wegen ihrer Gewalttaten und ihrer Aggression gegen andere Menschen ablehnt und fürchtet. Dadurch verliert man den Kontakt zu seinen eigenen Stärken und schadet sich selbst. Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.
Fast jeder Mensch verfügt über resiliente Kräfte
Georg Pieper erklärt: „Anstatt zu hassen, sollte man Mitgefühl mit den Opfern haben, Solidarität zeigen und herausfinden, wie man sie unterstützen und positive Zeichen setzen kann. Denn das sind die wichtigeren Menschen, sie sollten im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen, nicht die Täter.“ Statt die eigene Kraft mit Hass zu vergeuden, sollte man sie positiv einsetzen, für sich selbst, für andere, für die Gesellschaft. Sich positive Gedanken zu machen bewirkt nicht nur Gutes, es ist auch ein höchst wirksames Mittel gegen Angst und ein generelles Unsicherheitsgefühl.
Wenn man über das Bewältigen belastender Ereignisse spricht, fällt zwangsläufig irgendwann der Begriff „Resilienz“. Resilienz heißt, dass sich das System Mensch, das sich in einem arg gebeutelten Zustand befindet, wieder aufrichten kann. Fast jedes Individuum verfügt über resiliente Kräfte. Sie helfen ihm, Krisen und schwere Erlebnisse zu überstehen. Den Zugang zu diesen Kräften findet man, indem man sich Situationen ins Gedächtnis ruft, in denen man sie bewusst oder unbewusst schon einmal eingesetzt hat.
Resiliente Kräfte entstehen immer in der Aktivität
Aus der Resilienzforschung weiß man, dass resiliente Kräfte immer in der Aktivität entstehen. Wer auf seinem Bett liegt und wartet, dass resiliente Kräfte entstehen, wird enttäuscht werden. In Situationen, in denen man sich hilflos und ohnmächtig fühlt, muss man aus der Lähmung und Passivität herauskommen. Im Tun merkt ein Mensch, dass er selbstwirksam und stark ist, dass er über Fähigkeiten verfügt. Dazu gehört auch, nach draußen zu gehen und sich zu bewegen. Man kann Sport treiben, an seinem Auto schrauben oder Gitarre spielen. Hauptsache, man hat Freude an dem was man tut.
Bei seiner Arbeit als Psychotherapeut erlebt Georg Pieper so manches, das Ängste auslösen kann. Wenn man sich ausgiebig mit belastenden Dingen beschäftigt hat, muss man sich auch wieder distanzieren, um nicht vollkommen vom Negativen gefangen zu werden. Eine gute Psychohygiene zu betreiben, ist besonders in der traumatherapeutischen Arbeit wichtig, um die eigene psychische Belastung nicht zu groß werden zu lassen. Georg Pieper versucht sich von den extrem grauenvollen Geschichten, die er manchmal zu hören bekommt, nicht einfangen un lähmen zu lassen, sondern setzt dem bewusst und aktiv etwas Positives entgegen und genießt die schönen Dinge, die er erlebt und tut. Quelle: „Die neuen Ängste“ von Georg Pieper
Von Hans Klumbies