Georg Milzner betrachtet Multitasking als innere Spaltung
Wenn ein Mensch mehrere Dinge gleichzeitig tut und keines davon richtig, betreibt er Multitasking. Der ursprünglich technische Begriff meint die Möglichkeit eines Betriebssystems, mehrere Arbeitsprozesse nebeneinander ablaufen zu lassen. Georg Milzner ergänzt: „In der Psychologie spricht man von Multitasking da, wo es um das parallele Erledigen zweier oder mehrerer Aufgaben geht. Dass wir das – zum Teil – können, wissen wir alle.“ Auf das, was hier geleistet werden muss, ist der Mensch evolutionär ganz gut vorbereitet. Jeder kann überdies eine Vielzahl peripherer Reize wahrnehmen, während er einer Tätigkeit nachgeht. Multitasking ist allerdings nicht einfach nur das parallele Tun hier und Wahrnehmen da. Von Multitasking spricht die Wissenschaft etwa erst seit zwei Jahrzehnten. Um die Jahrhundertwende galt es als eine ausgesprochene Kompetenz. Georg Milzner ist Diplompsychologe und arbeitet in eigener Praxis als Psychotherapeut.
Der präfrontale Kortex ist eine bedeutende Steuerungszentrale des Gehirns
Der Computerwissenschaftler Dario Salvucci verweist gern darauf, dass Multitasking längst überall stattfindet. Womit er recht hat. Nur bedeutet das nicht, dass es auch gut ist. Das bloße gehäufte Auftreten von etwas sagt ja über dessen Wert noch nichts aus. Die entscheidende Rolle beim Lösen von Aufgaben spielt eine Hirnregion, die der englische Physiologe David Ferrier (1843 – 1928) als „präfrontaler Kortex“ bezeichnet hat. Er bekommt Signale aus allen wesentliche sensorischen Zentren, und zwar sowohl Signale, die von außen, als auch Signale, die von innen, also aus dem Organismus selbst kommen.
Der präfrontale Kortex ist dafür zuständig, eingehende sensorische Reize mit Inhalten der Erinnerung abzugleichen. Georg Milzner fügt hinzu: „Überdies obliegt ihm eine wichtige regulatorische Funktion hinsichtlich des limbischen Systems, einer alten und hochkomplexen Struktur unseres Gehirns, die u. a. mit Emotionalität und Sexualität, aber auch mit der Speicherung von Gedächtnisinhalten und Lernvorgängen befasst ist.“ Damit steht fest, dass der präfrontale Kortex eine bedeutende Steuerungszentrale des Gehirns ist.
Beim Multitasking arbeitet das Gehirn in einem Ausnahmezustand
Das legt nahe, dass der präfrontale Kortex auch beim Bearbeiten wichtiger Aufgaben aktiv ist. Die französischen Neurowissenschaftler Étienne Koechlin und Sylvain Charron konnten nachweisen, dass die Aktivität des präfrontalen Kortex sich verändert, wenn Probanden statt einer einzigen Aufgabe, auf die sie sich ganz konzentrieren können, zwei bekommen und ihre Aufmerksamkeit also aufteilen müssen. Bei Menschen, die konzentriert an einer Sache arbeiten, funktionieren die beiden Teile des präfrontalen Kortex in den zwei Hirnhälften synchron.
Bei zwei Aufgaben jedoch, die parallel gelöst werden sollen, findet eine merkwürdige Aufspaltung statt: Die linke Hälfte des präfrontalen Kortex widmet sich nämlich nun dem ersten und die rechte hälft des präfrontalen Kortex dem zweiten Aufgabenfeld. Georg Milzner spricht in diesem Zusammenhang von einer Strategie unter Krisendruck. Einem Ausnahmezustand, der nicht ohne Folgen bleibt. Denn klar ist ja, dass nicht beide Seiten des Systems die gleichen Informationen bekommen. Étienne Koechlin hat selbst betont, dass mehr als zwei Aufgaben parallel zu lösen eine Überforderung des Gehirns bedeutet. Quelle: „Wir sind überall, nur nicht bei uns“ von Georg Milzner
Von Hans Klumbies