Die Konsumgesellschaft schadet der Psyche
Mit der Massenproduktion im Industriezeitalter hat auch eine seelische Deformation begonnen. Wolfgang Schmidbauer weiß: „Arbeit verliert an Wert und Würde, wenn sie allein dem schnellen Nutzen dienen muss und Menschen ebenso wie Waren austauschbare Glieder einer Produktionskette werden.“ Der persönliche Bezug zu den Dingen geht dabei verloren. Es ist ein Teufelskreis. Je weniger Bindung sich zu den der Mode unterworfenen Massenprodukten entwickelt, desto schneller werden sie ersetzt. Das strahlt wiederum aus in die emotionalen Beziehungen. Es herrscht ein anonymes Geschehen von Produktion und Vertrieb, in dem kalt kalkuliert wird, wie weit man gehen kann, um dem Kunden neue Waren aufzuzwingen. Schon Karl Marx hat diese Entwicklung treffend beschrieben. Seine Kritik hat sich in vielen Punkten bestätigt und bestätigt sich noch. Der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer ist Autor zahlreicher Fach- und Sachbücher, die sich millionenfach verkauften.
Konsumartikel heben nur für eine kurze Zeit die Stimmung
Die Konsumgesellschaft schadet nicht nur der Umwelt, sondern auch der Psyche. Wolfgang Schmidbauer erklärt in seinem Buch „Homo consumens“ den gedankenlosen Konsum durch orale Fixierungen. Er plädiert darin auch für den Abschied von der Verschwendungswirtschaft. Das war 1972. Nie wieder hat er so heftige Kritik einstecken müssen. Heute dagegen wird es allmählich konsensfähig, dass es so nicht weitergehen kann. Ökobewegung und Kapitalismuskritik haben heute sogar die Chance, ein neues Wirtschaftsmodell zu entwickeln. In diesem ist Verzicht kein Tabu mehr.
In der Welt des „Homo consumens“ wachsen mit der Bequemlichkeit auch die Ansprüche. Je mehr Bequemlichkeit und Komfort man kaufen kann, desto weniger nimmt man die heilsame Übung im Ertragen von Angst und Schmerz in Kauf, um sich persönlich weiterzuentwickeln. Es ist eine Binsenweisheit, dass Konsumartikel nur für eine kurze Zeit die Stimmung heben. Wer sie nicht kritisch prüft, wird abhängig. Er genießt dann den Konsum nicht mehr frei und entspannt.
Viele Menschen glauben an unendliche Ressourcen
Der Abhängige muss konsumieren, weil ihn sonst Unlust plagt. Die Menschheit hat ihre ökonomische Kreativität und ihren Erfindergeist an der Fiktion orientiert, dass der Planet über grenzenlose Ressourcen verfügt. Ähnlich gegen viele Menschen mit ihrer Psyche um. Sie überfordern sie, packen immer mehr Forderungen in eine konstant bleibende Lebenszeit, weil es eben noch geht – bis sie kollabiert. Die meisten Menschen handeln so, als seien die Ressourcen unendlich. Eigentlich müssten sie wissen, wie begrenzt diese sind.
Die Vorfahren der heutigen Generationen wussten nichts über solche Grenzen. Dennoch handelten sie aber so, als seien die Ressourcen begrenzt. Heutzutage wachsen die Ansprüche rasant. Denn Maximierung und nicht Stabilisierung wurde zum ökonomischen Prinzip erhoben. Der Spruch, dass ein Drogendealer nicht einen Stoff an Menschen verkauft, sondern Menschen an einen Stoff, lässt sich leicht verallgemeinern. Er ist das Grundprinzip moderner Vermarktung. Quelle: „Die Kunst der Reparatur“ von Wolfgang Schmidbauer
Von Hans Klumbies