Sigmund Freud unterscheidet drei Formen der Phobie
Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, macht auf unterschiedliche Ausprägungen der Angst aufmerksam: Er trennt die Realangst von der neurotischen Angst. Die Realangst erscheint ihm dabei als etwas sehr Rationelles und Begreifliches. Sie ist eine Reaktion auf die Wahrnehmung einer äußeren Gefahr, das heißt einer erwarteten, vorhergesehenen Schädigung. Deshalb ist die Realangst auch mit einem Fluchtreflex verbunden, und man darf sie als Äußerung des Selbsterhaltungstriebes ansehen. Bei welchen Gelegenheiten, das heißt vor welchen Objekten und in welchen Situationen diese Realangst auftritt, ist laut Sigmund Freud vom Stande des Wissens und vom Machtgefühl gegen die Außenwelt des Betroffenen abhängig. Es kann sogar manchmal ein größeres Wissen sein, das die Angst befördert, weil es die Gefahr frühzeitig erkennen lässt.
Die allgmeine Ängstlichkeit beim nervösen Menschen
Bei den Nervösen gibt es laut Sigmund Freud erstens eine allgemeine Ängstlichkeit, eine sozusagen frei flottierende Angst, das heißt eine andauernde, generalisierte Angst, die bereit ist, sich an jeden irgendwie passenden Vorstellungsinhalt anzuhängen, die das Urteil beeinflusst, die Erwartungen auswählt, auf jede Gelegenheit lauert, um sich rechtfertigen zu lassen. Sigmund Freud nennt diesen Zustand Erwartungsangst oder ängstliche Erwartung.
Sigmund Freud erklärt: „Personen, die von dieser Art Angst geplagt werden, sehen von allen Möglichkeiten immer die schrecklichste voraus, deuten jeden Zufall als Anzeige eines Unheils, nützen jede Unsicherheit im schlimmen Sinne aus.“ Die Neigung zu solcher Unheilserwartung findet sich gemäß Sigmund Freud auch als Charakterzug bei vielen Menschen, die man ansonsten nicht als krank bezeichnen kann. Mann nennt solche Personen überängstlich oder pessimistisch.
Phobien sind an gewisse Objekte oder Situationen geknüpft
Ein auffälliges Maß an Erwartungsangst gehört für Sigmund Freud aber regelmäßig einer nervösen Affektion an, die er Angstneurose nennt und zu den Aktualneurosen rechnet. Die zweite Form der Angst der Nervösen ist sehr stark psychisch gebunden und an gewisse Objekte oder Situationen geknüpft. Dies ist die Angst der überaus mannigfaltigen und sehr oft sonderbaren Phobien. Sigmund Freud unterscheidet drei Gruppen von Phobien.
Zur ersten Gruppe zählt Sigmund Freud gefürchtete Objekte oder Situationen, die auch für einen normalen Menschen etwas Unheimliches haben, zum Beispiel eine Schlangenphobie. Zu einer zweiten Gruppe fasst Sigmund Freud Phobien zusammen, in denen noch eine Beziehung zu einer Gefahr besteht, wobei der Normale aber daran gewöhnt ist, diese Gefahr gering zu schätzen. Der dritten Gruppe von Phobien stehen Nichtbetroffene in der Regel völlig verständnislos gegenüber, wenn zum Beispiel ein starker, erwachsener Mann nicht durch eine bestimmte Straße gehen kann.
Kurzbiographie: Sigmund Freud
Sigmund Freud wurde 1856 in Freiberg in Mähren geboren. Im Alter von vier Jahren kam er nach Wien. 1873 schrieb er sich an der Wiener Universität ein. Mit dem Psychologen Josef Breuer verfasste er Studien über die Hysterie. Im Jahr 1902 wurde Sigmund Freud zum Professor für Psychopathologie an der Wiener Universität ernannt.
Zwei seiner Bücher „Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie“ und „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“ erschienen 1905. Die Psychoanalyse entwickelte sich zu einem internationalen Phänomen. Das erste große Treffen von Psychoanalytikern aus aller Welt fand 1908 in Wien statt. Im Jahr 1920 veröffentlicht Sigmund Freud „Jenseits des Lustprinzips“, 1922 „Das Ich und das Es“, 1925 „Selbstdarstellung“ und 1927 „Die Zukunft einer Illusion“. Von den Nazis vertrieben, floh Sigmund Freud mit seiner Familie nach London, wo er 1939 an Gaumenkrebs starb.
Von Hans Klumbies