Eine Belohnung kann sich in Bestechung verwandeln
Es ist fast unmöglich, einen Artikel zur Kindererziehung zu lesen, ohne über das Prinzip der „positiven Verstärkung“ belehrt zu werden. Aber die Sache hat für Reinhard K. Sprenger einen gewaltigen Haken: „Genügten bei Ihren Kindern anfangs noch ein paar neue Turnschuhe, mussten es vor zwei Jahren schon die Inlineskates sein. Im letzten Jahr war es dann ein einwöchiger Surfkurs auf Sylt. Und wehe, die Belohnung lässt sich in diesem Jahr nicht irgendwie steigern.“ Wenn man auf diese Weise Menschen antreiben will, muss das Reizniveau immer leicht nach oben geschraubt werden. Das Spiel verliert mit jeder neuen Runde, denn Belohnungen haben kurze Beine. Denn es liegt auf der Hand, dass nur der Preis permanenter Wiederholung oder Steigerung der Belohnung motiviert. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.
Die Mechanik der Belohnung erzeugt eine Belohnungssucht
Jede Motivierung erzeugt bestenfalls eine Strohfeuermotivation. Die Belohnung, vielleicht einmal unerwartet und als verdienter Dank ehrlich gewährt, wandelt sich, schaut nach vorn und wird zur Bestechung. Reinhard K. Sprenger erklärt: „Sie beinhaltet die Verheißung, bei ähnlichen Taten wieder und wieder … Aber wehe, wenn sie ausbleibt oder geringer als erwartet ausfällt.“ Aus der Sicht des Betroffenen hat das einen höheren negativen Wirkungsgrad als eine Bestrafung. Und je begehrenswerter eine Belohnung, desto demotivierender ist es, wenn sie ausbleibt.
Reinhard K. Sprenger rät sich selbst zu prüfen. Er behauptet: „Die Mechanik der Belohnung hat auch bei Ihnen eine Belohnungssucht erzeugt. Oft geht es Ihnen nicht mehr um die Tätigkeit selbst, sondern nur noch um die nachfolgende Belohnung.“ Auf diese Weise hat man eine Mentalität der Abschöpfung entwickelt, die sich anpasst und mitnimmt, was mitzunehmen ist. Der Gedanke, der einen dazu berechtigen scheint: Arbeiten, das Großziehen der Kinder, Studieren, das Ausführen des Hundes, das Mähen des Rasens – das sind alles lästige Tätigkeiten.
Der Trieb und der Reiz beeinflussen eine Handlung
Wenn man diese Dinge tut, erleidet man gleichsam einen Schaden. Reinhard K. Sprenger erläutert: „Wer will, dass ich sie trotzdem tue, muss mich dafür ent-schädigen.“ Mitleidig belächelt oder schief angesehen wird dagegen jeder, der den Spaß an der Sache, die Freude am Tun oder aber das Sinnvolle des Beitrags betont. Diesen Mensch, der tut, was er tut, stellen seine Mitmenschen nicht selten als Naivling hin, in der Schule wird er als Streber gehänselt und in der Berufswelt als Speichellecker gemobbt. Die Verhaltensbiologie nennt als die beiden Einflussgrößen einer Handlung den Trieb und den Reiz.
Bei entsprechender Reizhöhe ist nur noch geringer Eigenantrieb nötig, um eine Handlung auszulösen: Je höher die Reizstärke, desto geringer die benötigte Triebstärke. Da aber die Reize bekanntermaßen schnell abflachen, muss man sie immer höher schrauben. Entsprechend sinkt der Eigenantrieb. Der Mensch gewöhnt sich schnell an ein immer höheres Reizniveau, entwickelt immer neue Ansprüche, bis er bald ohne zusätzlichen Reiz in der Tat eine geringere Leistungsbereitschaft zeigt. Man hat sich daran gewöhnt, verwöhnt zu werden. Quelle: „Die Entscheidung liegt bei dir!“ von Reinhard K. Sprenger
Von Hans Klumbies