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Alles Unbewusste kann bewusst werden

Es gibt viele Modelle des Unbewussten. Manche widersprechen einander so fundamental, dass es für Georg Milzner wenig Sinn hat, sie alle aufzuführen. Daher möchte er vom Unbewussten in einer Minimaldefinition reden: „Das Unbewusste ist alles das, was uns jetzt, hier nicht bewusst ist, also auf der Benutzeroberfläche unseres Bewusstseins nicht erscheint.“ Manches ist dabei der Bewusstseinsoberfläche sehr nah. „Vorbewusst“ nannte Sigmund Freud das. Anderes ist versunkener, liegt weiter weg. Das muss nicht unbedingt mit Verdrängung zu tun haben, manches liegt einfach nur weiter entfernt. Alles Unbewusste kann jedoch bewusst werden. Entweder, indem es bewusst gemacht wird oder aber, indem es gleichsam aufsteigt und aus dem, was man das Unbewusste nennt, in die Sphäre des Bewusstseins überwechselt. Georg Milzner ist Diplompsychologe und arbeitet in eigener Praxis als Psychotherapeut.

Hermann Hesses Lieblingstugend war der Eigensinn

Die Auseinandersetzung mit den unbewussten, tiefer liegenden Motiven des persönlichen Handelns ermöglicht es einem Menschen, dass er besser im Einklang mit sich selbst lebt. Etwas, was keine Emotionen auszulösen vermag, ist ersichtlich auch nichts, was motivieren kann. Der Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse strebte nie eine äußere Position an, war aber ganz an der Stimmigkeit mit sich selbst orientier. Seine Lieblingstugend war der Eigensinn.

Georg Milzner erklärt: „Eigensinnig zu sein, das bedeutet, an dem orientiert zu sein, was der eigene leibseelische Organismus, das neuronale Netzwerk, das man für sich selber ist, als angemessen, als stimmig, als sinnvoll erkannt hat.“ Vom Philosophen Diogenes von Sinope heißt es, er habe einst auf dem Marktplatz von Athen des Mittags eine Laterne emporgehalten und suchend um sich geblickt. Gefragt, warum er denn am hellen Tag eine Laterne benutze, antwortete Diogenes: Er suche einen Menschen.

Viele Menschen sind auf der Suche nach sich selbst

Heutzutage läuft niemand umher und sucht mit einer Laterne einen Menschen. Wohl aber sind viele auf der Suche nach sich selbst. Ein bedeutender Teil von ihnen würde, wenn man ihn fragte, antworten, sich selbst noch nicht gefunden zu haben. Andere würden vielleicht meinen, schon einmal bei sich gewesen zu sein, sich dann aber wieder verloren zu haben. Menschen, die so reden, sind ungewöhnlich selbstreflektiert. Sie haben begriffen, dass das scheinbar Selbstverständliche so selbstverständlich nicht mehr ist.

Nämlich mit sich und bei sich zu sein und sich mit sich selbst identisch zu fühlen. Es hilft, wenn man sich mit seinem Leiden nicht allein weiß. Aber es kann auch erschrecken, wenn man merkt: Die Leute um einen herum leiden nicht. Wer Krisen des Selbstverlustes gleich welcher Art erlebt hat, sieht die Hamsterräder, in denen Menschen laufen, die nirgendwo ankommen als eben im Rad. Er sieht die Haltlosigkeit, der der Fundamentalismus verlockende Angebote unterbreitet. Auch sieht er die Massensuggestion der allgemeinen Individualität, die doch wieder im Schwarmverhalten endet. Quelle: „Wir sind überall, nur nicht bei uns“ von Georg Milzner

Von Hans Klumbies

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