Schuldgefühle entstehen beim Brechen eines Gesetzes
Helga Kernstock-Redl behauptet, dass ein Schuldgefühl in einem Menschen immer dann entsteht, wenn er höchstpersönlich ein Gesetz gebrochen hat. Das ist der zentrale Schlüssel zum Verständnis, der übrigens eine der Türen zum Ausstieg öffnen kann. Diese übertretene Regel muss einem schon wichtig sein. Ein strenges Gesetz, an das zu halten man sich verpflichtet hat oder verpflichtet fühlt. Dabei handelt es sich um keinen simplen Wunsch, keine lose Vereinbarung und keinen bloßen Neujahrsvorsatz. Helga Kernstock-Redl weiß: „Von außen vorgegebene Gesetze erzeugen in uns nur dann Schuldgefühle, falls wie sie innerlich als gültig und richtig übernommen haben.“ Sollte dies nicht der Fall sein, halten sich die Betroffenen vielleicht aus Vernunft, Loyalität oder Angst an die rechtlichen oder sozialen Vorgaben. Helga Kernstock-Redl ist Psychologin und Psychotherapeutin. Sie beschäftigt sich vor allem mit der Psychologie der Gefühlswelt.
Die inneren Gesetze steuern einen Menschen oft unbemerkt
Ob man ein Schuldgefühl entwickelt, sobald man geborgtes Geld nicht zurückzahlt, hängt von der inneren Verpflichtung ab. Oder man kann offiziell absolut unschuldig sein, sich aber aufgrund eines inneren Gesetzes enorm schuldig fühlen. Alle inneren Gesetze, die einen Menschen oft unbemerkt steuern, weil sie ihn mit Schuldgefühlen versorgen, wurden im Laufe des Lebens gelernt. Manche lebte man einem vor, eigeredet und man hat sie damals aus Empathie oder sozialer Intelligenz heraus abgeleitet und verinnerlicht.
Helga Kernstock-Redl erklärt: „Starke Schuldgefühle von uns Erwachsenen gehen immer mit vielfältigen Lern- und Denkprozessen einher.“ Etwas Gelerntes kann man jedoch auch umlernen oder ablegen. Das Neuschreiben der persönlichen Gesetzestexte liegt in der eigenen Hand, genauer gesagt im Gehirn. Als Baby hatten die Menschen schließlich kein einziges dieser Schuldgefühle, die den Erwachsenen heute das Leben leicht oder schwer machen.
Die Gefühle lassen sich sehr leicht manipulieren
Der Weg zur Veränderung beginnt für Helga Kernstock-Redl damit, diese inneren Gesetze zunächst einmal zu erkennen. Grundsätzlich ist es großartig, wenn man nützliche soziale und moralische Spielregeln verinnerlicht. Schuldgefühle und die Anstrengung, sie zu vermeiden, haben außerordentlich sinnvolle Ziele und lebenswichtige Auswirkungen. Schuldgefühle sind wie Hinweisschilder, an denen man sich zunächst schmerzhaft den Kopf stoßen muss, um sie zu erkennen. Da steht dann ein inneres Gesetz im Weg.
Neben Kindheitserfahrungen und persönlichen Entscheidungen liefert die Empathie, also die Fähigkeit zum Mitfühlen, Mittun und Mitleiden, einige weitere Gesetze. Manche Regeln wurden den Menschen gezielt eingeredet. Listige Mitmenschen und mächtige Gruppierungen erzeugen Loyalität und steuern Entscheidungen. Sie motivieren zu kämpfen oder jonglieren aus Selbstschutz unverblümt mit Schuldzuweisungen und Rechtfertigungen. Denn die Gefühle, besonders die Schuldgefühle, sind noch leichter manipulierbar als der Verstand. Man braucht den Menschen schließlich nur entsprechende Gesetze zu suggerieren. Quelle: „Schuldgefühle“ von Helga Kernstock-Redl
Von Hans Klumbies