Das Schicksal lässt sich nicht ausschalten
Der Satz „Erkenne dich selbst“ stand in der Antike über dem Eingang zum Orakel von Delphi. Er zielte auf die Einsicht des Menschen in seiner Begrenztheit ab und galt als Warnung vor der Überschätzung individueller Möglichkeiten. Andreas Salcher weiß: „Den Lebenszyklus des Mehr und Weniger kann man genauso wenig abschaffen wie den Wechsel der Jahreszeiten.“ Es ist auch nicht möglich, das Schicksal durch administrative Maßnahmen abzuschaffen. Rückschläge sind jederzeit möglich, auch wenn dies manche Sozialbüroraten nicht wahr haben wollen. Im Leben wird es immer Kündigungen, Scheidungen, Kränkungen und Ungerechtigkeiten geben. Das meiste davon kann man nach einiger Zeit bewältigen. Wirklich gefährlich ist alles, das den Kern der eigenen Persönlichkeit trifft. Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.
Sieger fühlen sich für ihr Leben selbst verantwortlich
Der Unterschied zwischen Menschen, die an Verletzungen zerbrechen, und jenen, die daraus große Fähigkeiten entwickeln können, lässt sich in drei Worten zusammenfassen: Selbstverantwortung statt Schuldzuweisung. Andreas Salcher erläutert: „Egal wie tief, egal wie oft, egal wie ungerecht Sieger verletzt wurden, sie fühlen sich nicht als ohnmächtige Opfer.“ Sieger leiden sicher nicht weniger als Verlierer an Niederlagen, aber sie fühlen sich immer als für ihr Leben selbst verantwortlich.
Sie suchen im Ernstfall nicht den Schuldigen, sondern den Neuanfang. Diese Fähigkeit zur Resilienz ist teilweise angeboren, man kann sie aber auch erlernen. Resilienz ist ein Begriff aus der Baukunde und beschreibt die Biegsamkeit von Material. Resiliente Menschen lassen sich biegen, aber nicht brechen, sie gedeihen trotz widriger Umstände – wie Schilf in einem Sturm. Resilienz bedeutet auch Anpassungsfähigkeit an veränderte Umweltbedingungen. Wer nur wenige Verhaltensweisen hat, wird schwer in den unterschiedlichen Phasen des jeweiligen Lebenszyklus auf die richtigen Kompetenzen zurückgreifen können, die er benötigt.
Viele Träume erweisen sich als Illusionen
Für resiliente Menschen gehören Enttäuschungen sogar zu den stärksten Antriebskräften in ihrem Leben. Diese ermöglichen ihnen, Lebensträume im zweiten Anlauf zu verwirklichen. In der ersten Lebenshälfte werden die Menschen stark von ihren Wünschen an das Leben getrieben. Andreas Salcher erläutert: „Die Sehnsucht nach Liebe und beruflicher Erfüllung ist dabei zentral. Idealtypisch erleben wir alle vier Möglichkeiten: Erstens, Erfolg in der Liebe und im Beruf. Zweitens, Erfolg in der Liebe und Misserfolg im Beruf.“
Drittens, Misserfolg in der Liebe und Erfolg im Beruf. Und viertens, am wenigsten erfreulich, Misserfolg in der Liebe und im Beruf. Es gibt einen Unterschied zwischen Träumen und Illusionen. Man träumt mit geschlossenen Augen, während man seine Illusionen mit offenen Augen sieht. Daher erweisen sich viele der Träume, sobald man sie verwirklicht hat, als Illusionen. Sie zerbrechen nicht an der Wirklichkeit, sondern man zerbricht sie selbst. Denn die eigene Persönlichkeit hat sich verändert, ohne dass man dies bemerkt hätte. Daher hat die Erfüllung der persönlichen Wünsche nicht die erhoffte Zufriedenheit ausgelöst. Quelle: „Das ganze Leben in einem Tag“ von Andreas Salcher
Von Hans Klumbies