Die Lust auf Sex kann völlig erlöschen
Von wenigen Ausnahmen abgesehen nimmt das sexuelle Begehren in einer Partnerschaft spätestens nach drei Jahren rapide ab. Andreas Salcher fügt hinzu: „Kommen Kinder dazu, besteht die Gefahr, dass die Lust auf Sex mit dem Partner völlig erlischt. Obwohl man einander nach wie vor liebt, spielt Sex nur mehr eine untergeordnete Rolle in der Beziehung.“ Dabei geht es nicht darum, wie oft man im Monat Sex miteinander hat, sondern um das Begehren an sich. Sexualtherpeuten beschäftigen sich schon seit Langem mit der scheinbar unlösbaren Frage, wie sich lustvolle Sexualität mit einem harmonischen Zusammenleben vereinbaren lässt. Wie kommt es, dass der Übergang zur Elternschaft so häufig mit einem erotischen Desaster einhergeht? Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.
Eine Beziehung soll romantisch und sexuell aufregend sein
Es überrascht wenig, dass vielen danach trachten, ihr sexuelles Bedürfnis außerhalb ihrer Partnerschaft zu befriedigen. Das war natürlich nie anders, nur wurde nicht offen darüber geredet. Sondern alles fand unter einer dicken Decke statt, die man aus Doppelmoral und Verdrängung webte. Dran trotzdem etwas in die Öffentlichkeit, so erregte man sich über den Skandal. Geändert haben sich die Ansprüche, mit denen Menschen heute Partnerschaften und Ehen eingehen.
Andreas Salcher erläutert: „Wir erhoffen uns von einer einzigen Person die Erfüllung unserer Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, Sicherheit und Hilfe, die früher ein ganzes Dorf abgedeckt hat.“ Gleichzeitig erwartet man von einer verbindlichen Beziehung, dass sie sowohl liebevoll und romantisch als auch sexuell aufregend sein soll. Kann es noch verwundern, dass so viele Beziehungen unter jener übergroßen Last zerbrechen? Kommen zu diesen unerfüllbaren Ansprüchen noch Stress am Arbeitsplatz und die Erziehung der Kinder dazu, tritt bei einst glücklichen Paaren die Erschöpfung ein.
Der Terror des unerfüllten Ideals bedroht jede Beziehung
Idealisierende Ansprüche an die wahre Liebe verlangen, dass man ständig geben und nie verlangen darf. Mit sich selbst im Einklang, freundlich, verständnisvoll und empathisch zu sein, sind an sich gute Voraussetzungen. Trotzdem reichen sie oft nicht aus. Zur Liebe gehören nämlich immer zwei. Und mindestens einer will meist nicht nur geben, sondern erwartet, vom Partner viel zu bekommen, am besten gleich alles, was ihm selbst zum Glück im Leben fehlt.
Daher gibt es neben gleichstarken Beziehungen auch nicht gleichberechtigte, in denen der eine sich immer mehr bemüht. Andreas Salcher weiß: „Es existieren leidenschaftliche Partnerschaften mit viel Streit und lustvoller Versöhnung genauso wie harmonische ohne große Höhepunkte.“ Keine Liebe ist falsch, unreif, armselig und somit falsch, solange nicht einer dauerhaft leidet. Die wirklich schlimme Bedrohung jeder Liebesbeziehung ist der Terror des unerfüllten Ideals. Andreas Salcher erklärt: „Denn dieses Ideal entwertet unseren realen Partner und lässt uns ständig von einem idealen träumen.“ Quelle: „Das ganze Leben in einem Tag“ von Andreas Salcher
Von Hans Klumbies