Autonomie ist nicht gerade bequem
Pflichterfüllung und Gehorsamsbereitschaft führen zu Anpassung, zu Unterordnung und Einordnung, zum Mitläufertum, zum Mitschwimmen im Strom der Mehrheit und zum Wegschauen. Klaus-Peter Hufer betont: „Zweifel, Urteilsfähigkeit, eine eigene Meinung und kritische Reflexion sind da nicht erwünscht – im Gegenteil, sie stören den reibungslosen Ablauf.“ Doch wer Zivilcourage zeigt, muss eine eigene Meinung und den Mut zum Widerspruch haben. Gut beschrieben wird dieses Verhaltensmuster bzw. Persönlichkeitsmerkmal mit dem Begriff „Autonomie“. Von der Wortbedeutung her meint Autonomie Unabhängigkeit, Selbstbestimmung und Willensfreiheit. Damit befindet man sich ganz in der Nähe der Idee der Aufklärung, deren berühmteste Definition von Immanuel Kant stammt. Klaus-Peter Hufer promovierte 1984 in Politikwissenschaften, 2001 folgte die Habilitation in Erziehungswissenschaften. Danach lehrte er als außerplanmäßiger Professor an der Uni Duisburg-Essen.
Jeder Mensch sollte sich seines eigenen Verstandes bedienen
Immanuel Kant gab auf die Frage „Was ist Aufklärung?“ der „Berlinischen Monatsschrift“ im Jahr 1784 folgende klassisch gewordene Antwort: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne die Leitung eines anderen zu bedienen.“ Er fordert die Menschen auf, den Mut zu haben, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen. Denn dies ist der Wahlspruch der Aufklärung.
In Immanuel Kants Definition sind Eigenschaften wie Eigenständigkeit, Mündigkeit und Mut enthalten. Allesamt sind sie Kriterien bzw. Voraussetzungen von Autonomie. Michael Pauen und Harald Welzer bezeichnen eine Person als autonom, die nach ihren eigenen Prinzipien handelt, und zwar auch dann, wenn sie dabei Widerstände überwinden oder Gefahr in Kauf nehmen muss. Autonom ist also, wer für seine Überzeugungen einsteht, obwohl diese gerade verpönt oder gar verboten sind. Autonom ist auch derjenige, der zu seinen Freunden steht, auch wenn diese gerade nicht wohl gelitten sind.
Zivilcourage erfordert ein hohes Maß an Autonomie
Autonomie besteht auch darin, sich in Gefahr zu bringen, um jemandem zu helfen oder ganz einfach seinen eigenen Kopf zu haben. Klaus-Peter Hufer weiß: „Autonomie ist nicht gerade bequem. Das gilt auch für die autonome Person selbst; es gilt aber auch für deren Umwelt. Meist sprechen wir dann von Autonomie, wenn jemand gegen Widerstände für wichtige Werte eintritt.“ Doch Autonomie kann auch darin bestehen, abwegige Überzeugungen gegen eine halbwegs vernünftige Mehrheit zu verteidigen.
Eine zivilcouragiert handelnde Person muss ein hohes Maß an Autonomie besitzen. Das heißt für Klaus-Peter Hufer, dass sie so sichere Gründe, so feste Prinzipien hat, dass sie sich veranlasst und imstande fühlt, auch Widerständen zu trotzen und Gefahren in Kauf zu nehmen, um das zu tun, was sie für richtig hält. Wer Zivilcourage zeigen will, muss sich mit den Faktoren auseinandersetzen, die mutiges und couragiertes Handeln positiv oder negativ beeinflussen, stützen oder verhindern. Quelle: „Zivilcourage“ von Klaus-Peter Hufer
Von Hans Klumbies