Die Scham zählt zu den schrecklichsten menschlichen Gefühlen

Nicht jeder Mensch neigt in gleichem Maße zu Schamgefühlen. Manche reagieren nach Ereignschen um, als diejenigen, die zu Schamgefühlen neigten. Die Jugendlichen, die sich schämten, tendierten sogar zu sozialem Rückzug und einem unverantwortlichen Risikoverhalten. Bei ihnen war die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie kriminell wurden, Drogen konsumierten oder von der Schule flogen. June Tangney stellte durch ihre Studie fest, dass es sich bei der Scham offenbar um ein besonders zerstörerisches Gefühl handelt.

Es gibt immer mehr Menschen mit narzisstischen Störungen

Die Scham ist allerdings keine Krankheit, sondern gehört zur emotionalen Ausstattung aller Menschen. Die Psychoanalytiker Michael Titze hat festgestellt, dass die Zahl seiner Patienten, die Schamgefühle plagen, in den vergangenen dreißig Jahren deutlich zugenommen hat. Die Gedanken dieser Menschen beschäftigen sich dann ständig mit der eigenen Person und die eigenen Fehler. Sie schämen sich ihrer selbst. Michael Titze fügt ergänzt: „Heute kommen viel mehr Menschen mit narzisstischen Störungen in meine Praxis als früher. In ihrer Selbstwahrnehmung schwanken sie zwischen Größenwahn und Minderwertigkeit, sie sind überzeugt, mit ihrer ganzen Person stimme etwas nicht.“

Bei der Scham kommt es zu einem Auseinanderbrechen von Ich und Ich-Ideal, das heißt, es entsteht eine Kluft zwischen der betroffenen Person und ihren Ansprüchen an das Selbst. Schuld und Scham haben manchmal gar keinen so großen Abstand zueinander. Während sich die Schuld allerdings auf einen Handlung bezieht, zielt die Scham auf die eigene Person. Die Scham kann auch in Erscheinung treten, ohne dass es dafür einen fassbaren Anlass gegeben hätte. Jemand fühlt sich zum Beispiel minderwertig.

Hinter der Neigung zur Scham stecken immer Selbstwertprobleme

Der Psychoanalytiker Michael Titze kennt die Gründe, warum immer mehr Menschen an sich selbst verzweifeln: „Gesellschaftliche Werte wie zum Beispiel Solidarität sind allgemein relativiert worden. Heute zählt vor allem eines: der persönliche Erfolg.“ Allerdings gibt es viele Strategien, mit denen sich die Scham abwehren lässt, und häufig werden sie unbewusst angewandt. Manche Menschen, die unter einem geringem Selbstwertgefühl leiden, werden beispielsweise arrogant oder werten ihre Mitmenschen ab.

Andere wiederum zeigen der Umwelt gegenüber eine demonstrative Schamlosigkeit. Dann gibt es Menschen, die ihr Heil in der Bescheidenheit suchen, um so einer Beschämung vorzubeugen. Viele entwickeln sich auch zu Perfektion, neigen zu Depressionen und anderen psychischen Störungen.“  

Von Hans Klumbies

 

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