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Der Querulant sinnt oft auf Rache

Mit Ausnahme der Psychoanalyse, die zahlreiche Erkenntnisse zur Entstehung der Rache geliefert hat, haben fast alle psychologischen und sozialen Disziplinen das Racheproblem vernachlässigt. Bei der „Person des Rächers“ ist beispielsweise auf Persönlichkeitsbezüge und psychische Störungen zu achten, welche die Rache begünstigen oder die auf der anderen Seite hilfreich sein könnten, um sie zu überwinden. Reinhard Haller erklärt: „Mit stärkeren Rachebedürfnissen verbunden sind Persönlichkeitsvariablen wie erhöhte Kränkbarkeit, Verletzlichkeit, Sensibilität für Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, erhöhtes Aggressionspotenzial, eingeschränkte Fähigkeit zur Impulssteuerung, hintergründige Ängste vor Liebesentzug und Selbstwertgefühl sowie Narzissmus in all seinen Facetten.“ Besonders anfällig ist der Typus „Querulant“. Deren Persönlichkeiten sind geprägt durch eine Kombination aus radikalem „Gerechtigkeitsnarzissmus“, hohem Aggressionspotenzial und ausgeprägter Gemütsarmut. Der Psychiater und Psychotherapeut Reinhard Haller arbeitet vornehmlich als Therapeut, Sachverständiger und Vortragender.

Es gibt Menschen mit ausgeprägter Rachegier

Beim rächenden Part kann es sich neben Einzelpersonen auch um Gruppen, um politische und ideologische Verbindungen, um Völker und Nationen handeln. Deren Rachebedürfnisse werden durch Angriffe auf ihre Überzeugungen und Wert, vor allem auf die Ehre, durch überhöhte Machtansprüche und durch soziale und ethische Konflikte sowie kriegerische Motive stimuliert. Wie bei allen Gruppenvorgängen lässt sich die Rachebereitschaft durch die Gesetze der Massenpsychologie extrem intensivieren und zur Überdimensionalität steigern.

Reinhard Haller weiß: „Wenn es demagogische Despoten verstehen, Kränkungs- und Demütigungsgefühle ihrer Anhänger anzustacheln, entzieht sich die Rache jeder Rationalität und wird ohne Rücksicht auf Verluste durchgeführt.“ Anhand der unterschiedlich tiefen Verankerung und Intensität des Rachedurstes könnte man eine eigene Persönlichkeitstypologie vornehmen. Am einen Ende der Skala stehen Menschen mit einem ängstlichen, hortenden, zwanghaft-aggressiven oder extrem narzisstischen Charakter und ausgeprägter Rachegier.

Der kluge Rächer bewegt sich innerhalb der Gesetze

Am anderen Ende der Skala sähe man sehr reife und gelassene Persönlichkeiten, die dem buddhistischen oder christlichen Ideal entsprechen und deshalb verzeihen können. Auf Seiten des „Racheopfers“ ist zunächst zu bedenken, dass es sich dabei zumeist um den ursprünglichen Täter handelt oder zumindest jenen Widerpart des sekundären Rächers, welchen dieser subjektiv für schuldig an seinem Racheverlangen hält. So betrachtet, handelt es sich beim Gegenspiel von Rächer und Racheopfer in gewisser Weise auch um eine Täter-Opfer-Umkehr.

Reinhard Haller betont: „Die von Ärger, Wut und Hass potenzierte Revanche fällt meist viel schwerwiegender aus als die ursprüngliche Schädigung. Wenn es einem der Gegenspieler nicht gelingt, aus der sich abzeichnenden Rachespirale auszusteigen, wird der Schaden auf beiden Seiten immer größer.“ Sinnvollerweise sollten die Racheopfer, sofern sie sich nicht vom eigenen schlechten Gewissen davon abhalten lassen, die jeweilige Staatsmacht zur Hilfe rufen. Dann würde die Gefahr des gegenseitigen Hochschaukelns unterbunden und dem Grundsatz, dass sich kluge Rächer immer innerhalb der Gesetze bewegen, Rechnung getragen. Quelle: „Rache“ von Reinhard Haller

Von Hans Klumbies

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