Genug ist manchmal mehr
John Bogle, der 2009 verstorbene Gründer des Finanzdienstleisters Vanguard, erzählte einmal eine Geschichte über Geld, die etwas betont, was man oft genug übersieht: „Auf einer Party eines Milliardärs auf Shelter Island verriet John Vonnegut seinem Kumpel Joseph Heller, ihr Gastgeber, ein Hedgefondsmanager, habe an einem Tag mehr verdient als Heller in all den Jahren mit seinem extrem populären Buch Catch-22.“ Darauf antwortete Heller: „Stimmt, aber ich habe etwas, dass er nie haben wird … genug.“ Genug. Die einfache Eloquenz dieses Wortes verblüffte Morgan Housel – aus zwei Gründen. Erstens, weil ihm in seinem Leben so viel gegeben wurde und zweitens, weil Joseph Heller es nicht besser hätte treffen können. Morgan Housel ist Partner bei der Risikokapitalgesellschaft The Collaborative Fund.
Unersättlichkeit äußert sich auch in legalem Irrsinn
Für bestimmte Mitglieder der Gesellschaft, zu denen auch viele der Reichsten und Mächtigsten gehören, scheint es heutzutage keine Grenzen mehr zu geben, wann es genug ist. Ein ungemein, kluger, wichtiger Satz. Wenn Menschen, die ums Überleben kämpfen, Verbrechen begehen, ist dies eine Sache. Ein nigerianischer Betrüger erzählte der New York Times einmal, es bereite ihm Gewissenbisse, andere auszunehmen, doch „die Armut lässt dich den Schmerz der anderen vergessen“.
Unersättlichkeit dagegen äußert sich mitunter auch in durchaus legalem Irrsinn. Die Händler des Hedgefonds Long-Term Capital Management besaßen sämtlich ein Privatvermögen von zig oder hunderten Millionen Dollar, wobei der Großteil dieses Vermögens in den eigenen Fonds steckte. Dann riskierten sie auf der Jagd nach immer mehr so viel, dass sie alles verloren – 1998, inmitten der robustesten Börsenhausse und der stärksten Wirtschaftsentwicklung aller Zeiten. Warren Buffet beschrieb den Fall später so: „Um Geld zu verdienen, das sie nicht hatten und nicht brauchten, riskierten sie, was sie hatten und brauchten.“
Für Unwichtiges ist ein Risiko sinnlos
Warren Buffet fährt fort: „Und das ist närrisch. Schlicht närrisch. Es ist völlig sinnlos, etwas zu riskieren, das einem wichtig ist, für etwas, das einem unwichtig ist.“ Diese Weisheit liegt so offenkundig auf der Hand, dass man sie oft übersieht. Die größte Kunst bei der Vermögensbildung besteht für Morgan Housel darin, die Messlatte nicht immer höher zu legen: „Einen wichtiger Rat gibt es kaum. Wenn jeder Erfolg nur die eigenen Ansprüche steigen lässt, bringt es gar nichts, nach mehr zu streben, da wir uns hinterher nicht besser fühlen.“
Richtiggehend gefährlich wird es, wenn Geld, Macht und Ansehen einen so auf den Geschmack kommen lassen, dass die eigenen Ansprüche schneller wachsen als der persönliche Reichtum. In diesem Fall verschiebt sich bei jedem Schritt nach oben die Messlatte um zwei Schritte aufwärts. Immer weiter scheint man hinter seinen Ansprüchen zurückzubleiben – und dies kann man nur aufholen, wenn man immer größere Risiken eingeht. Quelle: „Über die Psychologie des Geldes“ von Morgan Housel
Von Hans Klumbies