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Angst und Stress hemmen die Selbstheilung

Angst ist mit Abstand das stärkste Gefühl, das über die Aktivierung neuronaler Netzwerke des limbischen Systems, speziell der Amygdala, die Selbstheilungskräfte des Organismus zu stören vermag. Gerald Hüther erläutert: „Ob und in welchem Ausmaß ein Mensch auf die von ihm wahrgenommenen Veränderungen seines inneren Gleichgewichts, also auf eine sich im Gehirn ausbreitende Inkohärenz mit Angst reagiert, hängt davon ab, wie er diese Wahrnehmungen bewertet.“ Diese Bewertungen erfolgen immer subjektiv auf der Grundlage seiner bisher gemachten Erfahrungen. Verankert werden diese Erfahrungen in Form gebahnter synaptischer Verschaltungsmuster in präfrontalen Cortex. Erfahrungen zeichnen ich gegenüber erlernten Wissensinhalten dadurch aus, dass sie „unter die Haut“ gehen. Sie werden also mit den in der betreffenden Situation gleichzeitig aktivierten Netzwerken für emotionale Reaktionen und die Regulation körperlicher Prozesse verkoppelt. Gerald Hüther ist Neurobiologe und Verfasser zahlreicher Sachbücher und Fachpublikationen.

Haltungen sind nur schwer veränderbar

Erfahrungen sind deshalb in Form miteinander verknüpfter kognitiver, emotionaler und körperlicher neuronaler Netzwerke und Regekreise im Gehirn verankert. Man erlebt sie aus diesem Grund immer gleichzeitig als eine bestimmte Erinnerung oder Vorstellung. Diese gehen mit einem bestimmten Gefühl und einer bestimmten Körperreaktion einher. Als Integral oder Summe der bisher von einer Person gemachten Erfahrungen lässt sich das beschreiben, was man im allgemeinen Sprachgebrauch als innere Einstellung oder Haltung kennt.

Gerald Hüther weiß: „Diese Einstellungen und Haltungen sind entscheidend für die subjektive Bewertung eines Ereignisses. Und diese subjektive Bewertung ist ausschlaggebend dafür, ob angesichts des betreffenden Ereignisses eine Angst- und Stressreaktion ausgelöst wird oder nicht.“ Diese im präfrontalen Cortex eines Menschen verankerten Haltungen sind schwer veränderbar. Weil sie an Gefühle und körperliche Reaktionen gekoppelt sind, bleiben rein kognitive Interventionen – Aufklärung, Belehrung, Beschreibungen – meist ohne nachhaltige Wirkungen, solange man die emotionalen Anteile nicht gleichzeitig aktiviert.

Die Fähigkeit zur Selbstheilung ist von Anfang an angelegt

Gleichermaßen bleiben emotionale Interventionen – Zuwendung, Mitgefühl, Fürsorge – meist ebenso wirkungslos, solange man die kognitiven Anteile dabei nicht ebenfalls aktiviert. Gerald Hüther stellt fest: „Eine nachhaltig wirksame Veränderung einmal entstandener Haltungen lässt sich daher nur herbeiführen, wenn es gelingt, die betreffende Person einzuladen, eine neue, andere Erfahrung zu machen.“ Ob jemand dazu in der Lage ist und ob es dadurch gelingt, die Selbstheilungskräfte dieser Person wieder zu reaktivieren, hängt von ihrer inneren Einstellung ab.

Alles, was lebendig ist, verfügt über ein Spektrum geeigneter Reaktionsmuster, um auftretende Störungen oder Gefährdungen seiner inneren Ordnung auszugleichen. Die Fähigkeit, sich selbst wieder „heil“ zu machen, ist das, was man als die Selbstheilungskraft des betreffenden lebenden Systems bezeichnet. Gerald Hüther betont: „Ebenso wie die Fähigkeit zu Wachstum und Vermehrung ist diese Fähigkeit zur Selbstheilung in jedem lebenden System von Anfang an angelegt. Sie erst macht es überlebensfähig, erhält es also lebendig.“ Quelle: „Lieblosigkeit macht krank“ von Gerald Hüther

Von Hans Klumbies

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