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Alles Sinnliche hat Auswirkungen

Wie jedes äußere Bild für den Empfänger psychogene Folgen hat, so hat auch jedes Bild, das Menschen aussenden, Auswirkungen. Emanuele Coccia erklärt: „Wenn wir Bilder aussenden, wenn wir uns zwingen, den Geist zu versinnlichen, Sinnfälliges aus ihm zu machen, rührt das daher, dass Bilder keine rein kognitiven Realien sind.“ Bilder wirken – vor allem anderen. Gerüche, Geschmäcker, Geräusche: Alles Sinnliche hat Auswirkungen und legt eine Wirksamkeit an den Tag, die schwer zu bestimmen ist, weil es weniger gewichtig ist als die Kausalität, die von der Wirklichkeit auf die Wirklichkeit ausgeübt wird. Diese Erfahrung machen Menschen unablässig mit der Sprache, dem Hauptkanal, auf dem sie Sinnliches erzeugen. Emanuele Coccia ist Professor für Philosophiegeschichte an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris.

Die Sprache muss immer Wirkungen erzeugen

Immer dann, wenn Menschen sprechen, gehen sie davon aus, dass das von ihnen erzeugte Sinnliche Auswirkungen hat. Emanuele Coccia fügt hinzu: „Worte können überraschen, zum Handeln antreiben, verletzen, überzeugen, besänftigen oder zum Lachen bringen: Immer dann, wenn wir sprechen, vertrauen wir auf die Wirksamkeit des Wortes, das in den Zuhörer gleichsam einfließen soll, auch wenn es dabei schlimmstenfalls schlicht um Kenntnisse geht, die ihm wieder zu Bewusstsein gebracht werden.“

Sprache muss immer Wirkungen erzeugen, Einfluss haben. Die Rhetorik – die nichts anderes ist als die Wissenschaft der Wirkungen von Sprache – ist insofern die höchst Wissenschaft der Einflüsse. Emanuele Coccia stellt fest: „Die Entfremdung des Sinnlichen erfolgt immer in Abhängigkeit von dieser Wirksamkeit der Bilder.“ Die Wirkung, die jedem Bild zu eigen ist, ist mit dessen Reproduktion, dem Sich-reproduzieren in einer anderen Materie identisch: Seine Wirkung weist dessen eigene Form auf, keine andere.

Das Bild reproduziert nur sich selbst

Die vom Bild erzeugten Wirkungen sind nach seinem Ebenbild und Gleichnis. Diese Isomorphie zwischen Ursache und Wirkung ist das Wesensmerkmal jener speziellen Form der Kausalität, die man Einfluss nennt. Emanuele Coccia erläutert: „Eine Ursache bewirkt stets etwas anderes als sich selbst: Das Bild jedoch erzeugt keine Wirkungen, die anders sind als es selbst, sondern reproduziert nur sich selbst.“ Sein Verursachen ist immer seiner Vervielfachung identisch.

Aus dem Bild entsteht immer nur ein Bild, die primäre Wirkung eines Bildes ist immer ein anderes Bild. Emanuele Coccia ergänzt: „Ein Bild ist deswegen wirksam, weil es die Existenz einer Form ist, die außerhalb vom Subjekt existieren und folglich anverwandelt und entfremdet werden kann.“ Und wenn die Wirkung eines Bildes dessen Reproduktion ist, dann ist die Wirksamkeit der Bilder identisch mit deren Natur, mit der Tatsache, dass sie dort entstehen können, wo sie niemals gewesen sind. Quelle: „Sinnenleben“ von Emanuele Coccia

Von Hans Klumbies

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