Alte Menschen sind misstrauisch
Ältere Menschen und diejenigen, die bereits ihre Blüte überschritten haben, sind von häufigen Täuschungen im Leben gezeichnet. Sie haben oft Fehler gemacht, wodurch ihnen viele Nachteile entstanden sind. Die meisten von ihnen sagen, dass sie meinen, nicht aber, dass sie wissen. Und wenn sie im Zweifel sind, fügen sie immer ein vielleicht oder ein möglich hinzu. Alles drücken sie auf diese Weise aus, nichts aber mit Bestimmtheit. Ferner sind ältere Menschen laut Aristoteles übelwollend, denn es ist die Eigenart des Übelwollens, alles im Hinblick auf das Unvorteilhafte zu betrachten. Außerdem sind sie argwöhnisch aufgrund ihres Misstrauens. Misstrauisch sind sie aber aus Erfahrung. Und aus dem gleichen Grund ist weder ihre Liebe noch ihr Hass heftig. Der griechische Philosoph Aristoteles lebte von 384 bis 322 vor Christus.
Aristoteles charakterisiert Ältere als feige
Zudem sind ältere Menschen von niedriger Gesinnung, weil sie vom Leben gedemütigt wurden. Denn sie streben nach nichts Großem und nichts Außergewöhnlichem, sondern nur nach dem zum Leben Erforderlichen. Ferner ist diese Personengruppe geldgierig, denn zu ihren Lebensnotwendigkeiten gehört der Besitz. Zugleich wissen sie aber auch aus Erfahrung, wie schwer der Erwerb und wie leicht das Verschleudern ist. Aristoteles charakterisiert sie auch als feige, da sie in der Vorwegnahme künftiger Gefahr allem gegenüber furchtsam sind.
Das Verhalten der Älteren ist nämlich demjenigen der Jugend entgegengesetzt. Denn sie sind unterkühlt, jene dagegen hitzig, sodass das Alter den Weg für die Feigheit vorbereitet hat. Die Furcht ist dabei eine Art Frostempfindung. Dazu kommt, dass sie am Leben hängen und umso mehr am Ende ihrer Tage, weil die Begierde zu dem tendiert, das nicht vorhanden ist. Und weil man das am meisten begehrt, dessen man entbehrt. Laut Aristoteles überschreiten sie zudem das adäquate Maß der Selbstliebe.
Viele Ältere leben in der Vergangenheit
Weiterhin tendiert das ganze Leben der Älteren über die Maßen nach dem Nutzen, aber nicht nach dem Ehrenvollen. Dies ist das Ergebnis ihrer Selbstliebe. Denn der Nutzen ist ein Gut für den Einzelnen, das Ehrenvolle dagegen uneingeschränkt. Ferner zeichnet sie eher Gleichgültigkeit als ein besonders starkes Empfinden gegenüber der Scham aus. Denn infolge ihres ungleichen Empfindens für das Ehrenvolle und das Nützliche schätzen sie anderer Meinung gering ein.
Auch sind sie laut Aristoteles ohne Hoffnung aufgrund ihrer Erfahrung, denn das meiste, was geschieht, ist voller Unvollkommenheiten. Jedenfalls tendieren die meisten zum Schlechten sowie auch aufgrund ihrer Feigheit. Weiterhin leben sie mehr in der Erinnerung als in der Hoffnung, denn der Rest ihres Lebens ist klein, was aber vorbeigegangen ist, von großem Umfang. Es betrifft aber die Hoffnung die Zukunft, die Erinnerung dagegen die Vergangenheit. Quelle: „Handbuch der Menschenkenntnis“ von Georg Brunold (Hg.)
Von Hans Klumbies