Jeder sucht einen Platz in der Gemeinschaft
Die Frage „Wo gehöre ich hin?“ verlangt von einem Menschen, seinen Platz in der Gemeinschaft neu zu finden. Das ist eine sehr große Herausforderung für einen Menschen, der sich sehr stark über seinen Beruf definiert hat, weil er von dort Wertschätzung und Anerkennung bezogen hat. Andreas Salcher ergänzt: „Viele klammern sich an ihre Position, selbst wenn sie jene nicht mehr erfüllt. Verlieren sie diese dann trotzdem, fühlen sie sich nicht mehr gebraucht und kämpfen mit Verbitterung.“ Alle ihre im Berufsleben erworbenen Fähigkeiten und Erfahrungen interessieren niemanden mehr. Nach ihnen drängt eine Generation, die oft schon in jungen Jahren Verantwortung übernommen hat, weil sie smart, bestens ausgebildet, risikofreudig und energiegeladen ist. Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.
Auch die zweite Lebenshälfte sollte man sinnvoll gestalten
Das Einzige, das diesen jungen „Überfliegern“ manchmal fehlt, ist die soziale Kompetenz, um überhaupt zu erkennen, dass ihnen soziale Kompetenz fehlt. Daher nützt es wenig, sich wehmütig an die guten alten Zeiten zu erinnern und den Werteverlust der Gegenwart zu beklagen. Sondern es geht darum, die eigene Weisheit den Jüngeren so nahe zu bringen, dass sie daraus Nutzen ziehen können. Ist man schon bereit zu erkennen, dass wahre Macht aus der Fähigkeit kommt, sie mit anderen zu teilen und jene, die nachkommen, zu unterstützen, statt sie zu verhindern?
Andreas Salcher stellt fest: „Wer sich schon lange davor in seiner Rolle als Mentor für Jüngere wohlgefühlt hat, wird sich wesentlich leichter tun. Er konnte bereits erfahren, wie viel man zurückbekommt.“ Die Frage „Was ist mir wichtig?“ fordert von einem Menschen mit seinen Gaben und Fähigkeiten auch in der zweiten Lebenshälfte etwas Sinnvolles anzufangen. Stärke zeigt sich nicht mehr daran, woran man festhält, sondern daran, was man loslassen kann.
Für neue Ziele ist es nie „zu spät“
Das fängt damit an, all den Ballast an Dingen und Verpflichtungen, die man im Laufe seines Lebens angehäuft hat, kritisch zu prüfen und sich vom nicht Notwendigen zu trennen. Mit weniger Gepäck kann man sich schneller weiterbewegen. Ist man bereits in Pension, steht man auf einmal vor der Situation, dass der Tag nicht wie bisher durch Arbeit und eine Vielzahl von Verpflichtungen strukturiert ist, sondern man diesen theoretisch völlig nach seinen Wünschen gestalten könnte.
Am Anfang wird das vielleicht als die Freiheit erlebt, alles nachzuholen, was man versäumt hat. Dazu zählen Reisen, Lesen, Sport und andere Hobbys. Andreas Salcher betont: „Doch wir Menschen sind soziale Wesen, wir wollen gebraucht, gesehen und gehört werden. Man benötigt einen guten Grund, jeden Tag mit Freude aufzustehen, und der sollte mehr sein, als fernzusehen oder Zeitung zu lesen.“ Eine häufige Hürde auf dem Weg, sich in einem gewissen Alter neue, ambitionierte Ziele zu setzen und diese mit Leidenschaft zu verfolgen, ist die Vorstellung, es sei „zu spät“ dafür. Quelle: „Das ganze Leben in einem Tag“ von Andreas Salcher
Von Hans Klumbies