Eine Unterlassung schont das Selbstbild
Erstaunliche Effekte ergeben sich auch, wenn durch die Darstellung oder Unterschiede in der Entscheidungsarchitektur der Fokus entweder auf Handeln oder Unterlassen liegt. Armin Falk erklärt: „Wenn ich also eine Handlungsfolge aktiv durch eine Entscheidung herbeiführe oder dadurch, dass ich nicht eingreife und den Dingen einfach ihren Lauf lasse. Wir empfinden Unterlassungen in der Regel akzeptabler als aktive Handlungen, auch wenn die Folgen identisch sind.“ Viele Menschen glauben, dass sie aktiven Handlungen eindeutiger schlechte oder gute Intentionen unterstellen können im Vergleich zu einer Unterlassung. Denn bei einer Unterlassung kann es theoretisch auch andere Ursachen und Gründe geben als beim aktiven Handeln. Armin Falk leitet das Institut für Verhaltensökonomik und Ungleichheit (briq). Außerdem ist er Direktor des Labors für Experimentelle Wirtschaftsforschung sowie Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn.
Handeln und Nicht-Handeln werden unterschiedlich bewertet
Man kann also nicht sicher sein, dass ein fragwürdiges Ergebnis nicht auch ohne das eigene Zutun zustande gekommen wäre. Armin Falk ergänzt: „Schließlich kann man sich sagen, dass es auch dann zu den negativen Konsequenzen gekommen wäre, wenn ich gar nicht anwesend gewesen wäre.“ Diese Geschichte kann man sich nicht erzählen, wenn man selbst aktiv geworden ist. Auch unter Philosophen ist umstritten, warum Menschen Handeln oder Nicht-Handeln unterschiedlich bewerten sollten.
Armin Falk erläutert: „Unabhängig von der Begründung können wir feststellen, dass es selbst bei identischen Konsequenzen und Intentionen der Beteiligten zu einer unterschiedlichen moralischen Bewertung kommt, abhängig davon, ob ich aktiv wähle oder mich einer Unterlassung schuldig mache. Für unser Selbstbild ist die Unterlassung daher weniger bedrohlich.“ Man geht aus der Situation weniger „beschädigt“ heraus, wenn man sich damit trösten kann, man selbst hätte ja gar nichts getan und dass die Konsequenzen auch ohne das eigene Zutun entstanden wären.
Viele Menschen wollen eine Fehler nicht eingestehen
Auch gegenüber anderen sieht es offenbar weniger unmoralisch aus, wenn man einfach nichts tut, als eine problematische Handlungsfolge aktiv herbeizuführen. Armin Falk stellt fest: „Jeder kennt den Umgang mit der Wahrheit. Wir nehmen uns anders wahr, wenn wir „lügen“ im Vergleich zu „nicht die Wahrheit“ sagen.“ Es heißt dann: „Ja schon, aber ich hab ja nicht gelogen.“ Der Wunsch, vor sich und anderen als tadellos zu erscheinen, spielt noch in einem anderen Zusammenhang eine wichtige Rolle.
Er lässt Menschen zögern, einen Fehler einzugestehen und sich bei jenen, denen sie Unrecht getan haben, zu entschuldigen. „Ich habe mich falsch verhalten. Entschuldige bitte. Es tut mir leid.“ Armin Falk betont: „Diese Sätze gehen und häufig schwer über die Lippen, auch wenn wir ziemlich genau wissen, dass wir Mist gebaut haben. Ich haben mich lange gefragt, warum das so ist. Vor allem weil eine Entschuldigung ja so viel Gutes tut – demjenigen, bei dem man sich entschuldigt, aber auch für einen selbst.“ Quelle: „Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein“ von Armin Falk
Von Hans Klumbies