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Der Charakter besteht aus Fähigkeiten

Eigenschaften wie diszipliniert oder prosozial zu sein nannte Aristoteles Tugenden. Adam Grant fügt hinzu: „Den Charakter beschrieb er als aus einer Reihe von Grundsätzen bestehend, die sich die Menschen aneignen und durch bloße Willenskraft umsetzen.“ Früher war das auch Adam Grants Auffassung von Charakter. Er dachte, es ginge darum, sich einem klaren Moralkodex zu verpflichten. Aber es ist sein Job, die Ideen, über die sich Philosophen so gerne die Köpfe zerbrechen, zu prüfen und weiterzuentwickeln. Und in den letzten zwei Jahrzehnten haben die Informationen, die er gesammelt hat, ihn dazu veranlasst, diese Ansicht zu überdenken. Adam Grant sieht Charakter jetzt weniger als eine Frage des Willens, sondern vielmehr als eine Reihe von Fähigkeiten. Adam Grant ist Professor für Organisationspsychologie an der renommierten Wharton Business School. Seine Forschungsbeiträge im Bereich Motivation und Produktivität wurden vielfach ausgezeichnet.

Charakterstärken sagen den Erfolg im Leben voraus

Charakter bedeutet mehr, als nur Prinzipien zu haben. Adam Grant erläutert: „Es ist eine erlernte Fähigkeit, nach unseren Prinzipien zu leben. Charakterstärken bringen einen Menschen, der sonst immer nur alles aufschiebt, dazu, eine Frist für jemanden einzuhalten, der ihm wichtig ist.“ Sie lassen eine schüchterne Person den Mut finden, sich gegen eine Ungerechtigkeit zur Wehr zu setzen, und halten den Klassenfiesling davon ab, sich vor einem wichtigen Spiel mit seiner Mannschaftskameraden zu prügeln.

Diese Fähigkeiten sind es, die gute Pädagogen im Kindergartenalter fördern – und die dann von guten Coaches ausgebaut werden. Wirtschaftsnobelpreisträger James Heckman erklärt: „Charakterstärken sagen den Erfolg im Leben voraus und generieren ihn.“ Aber sie entstehen nicht im Vakuum, unabdingbar sind die Möglichkeit und die Motivation, sie zu fördern. Wenn man von „Förderung“ spricht, sind in der Regel die kontinuierlichen Investitionen gemeint, die Eltern und Lehrkräfte in die Entwicklung und Unterstützung von Kindern und Studenten stecken.

Lernende müssen ihren eigenen unabhängigen Lernansatz entwickeln

Doch ihnen zu helfen, ihr Potenzial voll auszuschöpfen, erfordert etwas ganz anderes. Adam Grant weiß: „Es bedarf einer konzentrierten, temporären Form der Unterstützung, die sie darauf vorbereitet, ihr eigenes Lernen und ihre Entwicklung zu lenken. In der Psychologie spricht man hier von Scaffolding.“ Im Bauwesen ist ein Gerüst, im Englischen „scaffold“, eine temporäre Konstruktion, die es den Arbeitern ermöglicht, eigentlich unerreichbare Höhen zu erklimmen.

Sobald das Gebäude steht, wird das Gerüst wieder abgebaut. Von diesem Zeitpunkt an steht das Bauwerk selbstständig. Adam Grant ergänzt: „Eine Lehrkraft oder ein Trainer gibt erste Hilfestellung, dann wird die Unterstützung beendet. Der Grundgedanke besteht darin, die Verantwortung an die Lernenden zu übergebend, damit sie ihren eigenen unabhängigen Lernansatz entwickeln können.“ Ein beliebtes Sprichwort lautet: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Doch dabei vergisst man gern, dass manche, wenn sie den Weg nicht sehen, aufhören, von ihrem Ziel zu träumen. Quelle: „Hidden Potential“ von Adam Grant

Von Hans Klumbies

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