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Unflexibilität führt zu einem doppelten Fehler

Menschen können sich hinsichtlich dessen, was sie glücklich macht, irren. Eine Begegnung hat beispielsweise tatsächlich das Vermögen, die eigenen Erwartungen und Wünsche, ja sogar die eigenen Vorstellungen von den Dingen und vom Leben umzukrempeln. Charles Pépin fügt hinzu: „Das ist eine schöne Einladung zur Bereitschaft: Zu wissen, dass wir uns hinsichtlich unserer Erwartungen irren können, kann überzeugend sein, um uns für das zu öffnen, was wir nicht erwarten.“ Wer sich unflexibel zeigt und nur in Erwägung zieht, was den eigenen präzisen Wünschen entspricht, macht einen doppelten Fehler. Erstens einen strategischen: Diese Person lässt sich höchstwahrscheinlich so mache Gelegenheit entgehen. Zweitens einen psychologischen: Vielleicht irrt man sich hinsichtlich seiner Wünsche, aber verschließt die Tür für die Begegnung mit jenem Anderen, der es einem ermöglich hätte, sich darüber im Klaren zu werden. Charles Pépin ist Schriftsteller und unterrichtet Philosophie. Seine Bücher wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

Ein Verlangen kann aus einer Begegnung heraus entstehen

Tatsächlich entdecken Menschen oft erst im Handeln, durch den Kontakt mit anderen einen neuen Wunsch. Charles Pépin erklärt: „Diese Vorstellung widerspricht der Idee, die insbesondere der Psychoanalytiker und Philosoph Jacques Lacan entwickelt hat, wonach unser Begehren schon immer da ist, in unserem Innersten, und dass es in unserem Unbewussten, in unserer Familiengeschichte wurzelt.“ Dieser Theorie zufolge ist das Begehren immer vor der Begegnung da.

Menschen gehen auf die anderen zu, um ein Verlangen zu befriedigen, das dem Tun vorausgeht und dieses determiniert. Charles Pépin weiß: „Im Gegensatz dazu erklärt Jean-Paul Sartre in „Das Sein und das Nichts“, dass ein solches Verlangen nicht notwendigerweise vor der Begegnung da ist; es kann aus ihr heraus entstehen.“ Die Lebenserfahrung scheint ihm recht zu geben. Man denke zum Beispiel an jene Männer oder Frauen, die partout keine Kinder haben wollten, bis sie der oder dem Richtigen begegneten.

Die Ordnung der Dinge ist nicht unverrückbar

„Mein dritter Grundsatz war, immer zu versuchen, […] eher meine Wünsche zu ändern als die Ordnung der Welt“, fasste dies René Descartes in einer Formel mit stoischen Anklängen zusammen. Charles Pépin ergänzt: „Dem Verfasser des „Entwurfs der Methode“ ging es nicht darum, neue Wünsche an sich zu entdecken, sondern eher darum, auf unerfüllbare Wünsche zu verzichten , uns aufzufordern, bescheiden zu sein und hinzunehmen, was wir nicht ändern können.“

„Die Ordnung der Welt ändern, um sie meinen Wünschen anzupassen“, ist im Kern die Antwort des vermessenen Menschen, der unfähig ist, Grenzen zu akzeptieren, und sich in Allmachtsphantasien ergeht. Charles Pépin erläutert: „Wer eine Philosophie der Bereitschaft vertritt, befindet sich auf einer Gratwanderung zwischen resigniertem Hinnehmen und Allmachtwahn, von denen er sich möglichst fernhält. Wer die Ordnung der Dinge für unverrückbar hält, geht nicht mehr aus dem Haus.“ Quelle: „Kleine Philosophie der Begegnung“ von Charles Pépin

Von Hans Klumbies

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