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Das Smartphone verändert das Gehirn

Sarah Koldehoff und Martin Spiewak fragen: „Macht das Smartphone dümmer, Herr Montag?“ Der Psychologe Christian Montag antwortet: „Dass Smartphones etwas in unserem Denkapparat verändern, steht für mich außer Frage. Interessant ist, welcher Teil des Denkens genau verändert wird und wie stark.“ Wie die meisten Menschen trainiert auch Christian Montag kaum noch, räumlich zu navigieren oder sich Wege zu merken. Das dürfte sich in seinem Gehirn niederschlagen. Man kann sich das Gehirn wie einen Muskel vorstellen, der sich je nach Gebrauch verändert. Und manche Forschende betrachten das Smartphone als eine Art ausgelagertes Gehirn, das bestimmte Denkvorgänge für die User übernimmt. Sarah Koldehoff und Martin Spiewak fragen: „Ist das gut oder schlecht?“ Christian Montag antwortet: „Weder – noch! Unser Denken passt sich den Möglichkeiten an, wir nutzen unsere kognitiven Funktionen anders. Das heißt nicht, dass wir generell dümmer werden.“

Die Kombination von Informationen führt zu klugen Gedanken

Es gibt die Behauptung, Wissen sei heute bedeutungslos, weil alle Informationen wortwörtlich immer zur Hand seien. Das ist für Christian Montag purer Unsinn. Denn um kluge Gedanken zu haben, muss man Informationen kombinieren. Auch Neues entsteht, wenn man Bestehendes verknüpft. Sarah Koldehoff und Martin Spiewak fragen: „Schadet übermäßiger Smartphone-Gebrauch also der Kreativität? Christian Montag antwortet: „Beim Joggen erleben ich etwas, das viele kennen: Man nennt es Tagträumen oder Mind-Wandering.“

Christian Montag fährt fort: „Ich hänge also beim Laufen meinen Gedanken nach und merke plötzlich, dass mir eine gute Idee kommt.“ Bei solchen Tätigkeiten verändert sich das Zusammenspiel mehrerer Hirnareale. Es entsteht vielleicht mehr Raum für die eigene Gedankenwelt. Sarah Koldehoff und Martin Spiewak fragen: „Wie stark leidet denn die Fähigkeit, sich zu konzentrieren, unter der digitalen Dauerbeschallung?“ Christian Montag antwortet: „Unser Gehirn kann nicht anders, als auf neue Reize zu reagieren.“

Menschen sind keine Multitasker

Zwischen verschiedenen Tasks, also Aufgaben, umzuschalten kostet das Gehirn aber Energie. Parallel arbeiten funktioniert eher schlecht. Menschen sind serielle Verarbeiter, keine Multitasker. Viele Schüler und Studenten lernen mit dem Smartphone. Für Christian Montag ist das keine gute Idee: „Denn die Maschine ruft ja ständig: Spiel mit mir! Wir lassen uns so gerne ablenken, weil uns das Gerät diesen schnellen Belohnungskick verspricht: durch eine kuriose Information, einen Like bei Twitter.“

Firmen testen im Internet die User ständig mit neuen Varianten ihrer Angebote. Im Grunde sind laut Christian Montag alle Nutzer ständig Teil von Optimierungsexperimenten. Die Impulse, denen sie ausgesetzt sind, werden kürzer – auf TikTok sind es beispielsweise nur kurze Schnipsel. Christian Montag erklärt: „Unser Gehirn spricht stark auf alles Neue an. Womöglich ist das Schnipselformat deshalb so attraktiv.“ Bilder werden dabei viel schneller und müheloser verarbeitet als Text, sie transportieren zudem mehr Emotionen. Quelle: „Macht das Smartphone dümmer, Herr Montag?“ Das Interview führten Sarah Koldehoff und Martin Spiewak in „Die ZEIT“ vom 2. März 2023

Von Hans Klumbies

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