Die Rache ist eine besondere Form der Hoffnung
Beim Ressentiment handelt es sich oft um eine Nicht-Reaktion, um den Verzicht auf eine Reaktion. Man muss die Zeit „ausgesetzt“ haben, um besser und dauerhafter hassen zu können. Cynthia Fleury fügt hinzu: „Man muss sich diese ganz besondere Form von Hoffnung, die die Rache darstellt, zu eigen machen, auch hier eine verdorbene Hoffnung, deren belebende Kraft jedoch sehr heftig werden kann.“ Letztlich ist das Ressentiment nicht einfach eine Re-Aktion, sondern offenbart das wiederholte Durch- und Nachleben. Es ist nicht leicht, zwischen einer Definition des Ressentiments zu wählen, die es auf die Seite des „Unvermögens zu“ stellt, und einer anderen, die schließlich einräumt, dass es eine Entscheidung für das „Unvermögen zu“ gibt. Die Philosophin und Psychoanalytikerin Cynthia Fleury ist unter anderem Professorin für Geisteswissenschaften und Gesundheit am Conservatoire National des Arts et Métiers in Paris.
Die Rache ist ebenso schrecklich wie kontaminierend
Das ist hier zweifellos eine Frage des Grades und der vom Ressentiment geschaffenen mehr oder weniger akzeptierten Beeinträchtigung. Cynthia Fleury erklärt: „Man kann in der Falle des Ressentiments gefangen sein, aber versuchen, sich daraus zu befreien, sich weigern, dem auf den Leim zu gehen, was es heraufbeschwört.“ Man kann sich auf der Schneide der Rache befinden, wiederholt durch- und nachleben, aber immer noch genug auf der Schneide, um ihr nicht völlig zu verfallen, ihr damit völlig verfallen zu wollen.
Cynthia Fleury weiß: „Und dann ist die Rache kein Ressentiment; sie ist ebenso schrecklich wie kontaminierend, bleibt jedoch adressiert, bestimmt, insofern sie möglicherweise gestillt werden kann.“ Max Scheler glaubt: „Die gelungene Rache hebt das Rachegefühl auf.“ Cynthia Fleury ist sich dessen nicht so sicher. Weiß die Rache doch, sich zu bewegen und findet ein neues Objekt. Es ist alles andere als einfach, diese Form einer tödlichen Dynamik, diese verdorbene Energie loszuwerden.
Das Ressentiment verbittert die Persönlichkeit
Doch mit dem Ressentiment ist das nicht so. Sein Gegenstand scheint die Verhinderung jeglicher moralischer Überwindung zu sein; sein Ziel sich selbst dem Scheitern zu verschreiben. Cynthia Fleury stellt fest: „Bei einigen hartnäckigen Psychosen kann man sehr gut sehen, wie der Patient seine ganze Energie darauf verwendet, eine Lösung zu verhindern, den Arzt oder die Medizin versagen zu lassen und nichts als den Nicht-Ausweg zu produzieren.“
Es wird keine Überwindung akzeptiert: Zweifellos würde ihre Akzeptanz einen neuen Durchbruch produzieren, den man nicht auf sich nehmen will. Cynthia Fleury erläutert: „Dann ist die Dysfunktionalität als Funktionsweise vorzuziehen. Die einzige Fähigkeit des Ressentiments, in der es brilliert, ist: zu verbittern, die Persönlichkeit zu verbittern, den Blick auf die Welt zu verbittern.“ Das Ressentiment verhindert die Öffnung, es verschließt, es schließt aus, kein Ausweg ist möglich. Quelle: „Hier liegt die Bitterkeit begraben“ von Cynthia Fleury
Von Hans Klumbies