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Der Hass ist eine destruktive Urform

Nach dem instinkttheoretischen Ansatz dient aggressives Verhalten der Erhaltung des Individuums. Die Triebtheorie sieht in der Aggression einen nach Entladung drängenden Trieb. Reinhard Haller ergänzt: „Die lerntheoretischen Erklärungen führen Aggression auf das Erlernen solchen Verhaltens am Vorbild aggressiver Menschen zurück.“ Die klassische Konditionierung sieht im „Lernen am Erfolg“ beziehungsweise Lernen durch Belohnung und/oder Bestrafung den entscheidenden Entstehungsmechanismus. Da Hass ebenso wie Ärger, Zorn und Wut zu den emotionalen Aggressionsarten gehört, ist für sein Verständnis die Frustrations-Aggressions-Hypothese hilfreich. Nach dieser Theorie wird auf Frustrationen mit Aggressivität reagiert, so auch mit Hass. Dieser macht sich gleichsam Luft nach außen. Prof. Dr. med. Reinhard Haller war als Psychiater, Psychotherapeut und Neurologe über viele Jahre Chefarzt einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Klinik. Heute führt er eine fachärztliche Praxis in Feldkirch (Österreich).

Der Todestrieb strebt nach Zerstörung und Tod

Der Hass richtet sich meist gegen den Verursacher der Frustration, lässt sich aber, was für die Hassentwicklung nicht unwesentlich ist, auch auf andere Ziele verschieben. Zum Beispiel von einem ungerecht handelnden Lehrer auf die Institution Schule insgesamt. Aggression lässt sich grob einteilen in eine konstruktive und eine destruktive Form. Die entscheidende Frage ist nun, weshalb und wie sich die zunächst neutrale aggressive Urkraft in seine destruktivste Form, den Hass, umwandeln kann.

Reinhard Haller weiß: „Sigmund Freud und die klassische Psychoanalyse erklären dies mit dem Todestrieb.“ Dessen Gegenspieler – der Eros – strebt nach Bindung, Vereinigung und Verschmelzung. Der Todestrieb richtet sich dagegen auf die Auflösung von Bindungen, auch jene im zwischenmenschlichen Bereich, auf Verletzung, ja auf Zerstörung der anderen, auf Erstarrung und Tod. Wenn es dem Todestrieb gelingt, die ganze Persönlichkeit des Menschen zu beherrschen, entstehen pathologische, durch und durch bösartige und hassbesetzte Charakterstrukturen. Das kann man bei den großen Despoten der Menschheit und den schlimmsten Verbrechern sehen.

Alfred Adler unterscheidet zwischen zwei Hassphasen

Alfred Adler (1870 – 1937), der Begründer der Individualpsychologie, Schüler und späterer Gegenspieler Sigmund Freuds, erklärt den Hass zwar auch mit dem Konzept des Aggressionstriebes, sieht aber die Hauptursache in Minderwertigkeitsgefühlen. Wenn jemand an einer organischen Schwäche oder auch an einer sozialen Benachteiligung leide, versuche er, diese auszugleichen. Oder, wie es in der Psychologie heißt, zu kompensieren, was zur Stärkung des Aggressionstriebes führe. Reinhard Haller stellt fest: „Je intensiver also diese Minderwertigkeit empfunden wird, desto stärker ist der Kompensationsversuch.“

Die Unterlegenheit empfindet man als Demütigung, auch durch Verletzung des Gerechtigkeitsgefühls. Alfred Adler unterscheidet bei seinen Ausführungen zwischen zwei Hassphasen. Erstens die heiße Phase des Hasses und zweitens seine kalte Phase. In der heißen Phase will sich der Betroffene für die Demütigung rächen. Er versucht, den Verursacher seines Unglücks zu besiegen und strebt nach Übermacht und Überlegenheit. Das Gefühl der Überlegenheit kommt dann in der kalten Phase zum Ausdruck. Es zeigt sich nach außen in Abwertung, Arroganz und Zynismus. Quelle: „Die dunkle Leidenschaft“ von Reinhard Haller

Von Hans Klumbies

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