Der Partner möchte verstanden werden
Der amerikanische Psychologe und Paartherapeut John M. Gottman vertritt folgende These: „Paare verbringen Jahre damit, den anderen von etwas zu überzeugen. Aber das ist nicht möglich. Der andere möchte nicht überzeugt werden. Er möchte verstanden werden.“ Denn den Partner zu verstehen, das ist die schwierigste Aufgabe, die die Liebe stellt. Alle Menschen haben ihre seltsamen, abgründigen und schwer zu verstehenden Seiten. Manche halten Dinge für wahr und plausibel, die andere für unwahr oder zumindest für unwahrscheinlich halten. Christian Thiel stellt fest: „Diejenigen Dinge an einem Partner zu lieben, die wir mögen, ist leicht. Aber diejenigen Dinge zu lieben, die wir nicht mögen, das fällt uns erfahrungsgemäß schwer.“ Der Schlüssel hierzu heißt verstehen: begreifen, warum der Partner so ist, wie er ist. Christian Thiel ist freier Autor und Single- und Paarberater.
Kinder übernehmen eine Menge von den Eltern
Die Eltern und ihre Art, die Welt zu sehen, üben gerade in der Partnerschaft einen großen Einfluss aus. Denn der Partner bringt ja auch die gesamten Grundüberzeugungen, Traditionen und Werte seiner Herkunftsfamilie mit in eine Beziehung ein. Eltern sind für Kinder generell Vorbilder. Der Nachwuchs übernimmt eine Menge von ihnen. Das reicht von simplen, alltäglichen Gewohnheiten bis hin zu grundsätzlichen Lebenseinstellungen. Die große Nähe in einer Partnerschaft aktiviert in einem Menschen die wichtigsten Erfahrungen, die in der Kindheit mit Bindungen gemacht wurden.
Christian Thiel betont: „Der Glaube, dass sich in einer Partnerschaft zwei Menschen in Liebe begegnen, losgelöst von allen gesellschaftlichen Konventionen und familiären Bindungen und Prägungen, ist einen Illusion.“ Eine Partnerschaft ist eine so enge Bindung, dass Menschen gar nicht anders können, als sie auf dem Hintergrund ihrer früheren Bindungen zu erleben. Im täglichen Umgang miteinander, spürt man davon oft nur wenig. Man hinterfragt das Verhalten des Partners nicht, wenn er sich wie erwartet verhält.
Nach einem Jahr weiß man noch recht wenig über den Partner
Aufmerksam werden Menschen in der Regel erst, wenn das Verhalten des Partners für sie unangenehme Folgen hat. Überraschende und ungewöhnliche Handlungen des Partners sind oft zu verstehen, wenn man sich darum bemüht. Dazu muss man allerdings die Biografie des anderen genau kennen. Es dauert mindestens ein Jahr, um den Partner auch nur in groben Umrissen zu kennen. Danach gehen Beziehungen oft schon wieder in die Trennungsphase über, die dann wiederum ein, manchmal zwei Jahre dauert.
Die Neugier auf den anderen ist zu Beginn einer Partnerschaft ein wichtiger Motor der Annäherung. Wer frisch verliebt ist, der redet bis tief in die Nacht und fühlt sich dem anderen nahe. Allerdings sieht man in dieser Phase der Liebe mehr die Gemeinsamkeiten, die einen mit dem anderen verbinden. Die Unterschiede blenden viele Menschen erfolgreich aus. Dass der andere auch anders ist, registrieren die meisten Menschen erst, wenn die Verliebtheit nachlässt – und reagieren mit Unmut darauf. Quelle: „Was glückliche Paare richtig machen“ von Christian Thiel
Von Hans Klumbies