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Technologien verschlingen Eltern und Kinder

Wenn Jonathan Haidt mit den Eltern von Jugendlichen redet, kommt das Gespräch oft auf Smartphones, soziale Medien und Videospiele. Die Geschichten, die Eltern ihm erzählen, weisen in der Regel einige Muster auf. Eines davon ist die Geschichte vom „ständigen Konflikt“. Jonathan Haidt erläutert: „Eltern versuchen, Regeln festzulegen und Grenzen zu ziehen und durchzusetzen. Doch es gibt so viele elektronische Geräte, so viele Argumente dafür, dass die Regeln gelockert werden müssen, und so viele Möglichkeiten, die Regeln zu umgehen, dass das Familienleben mehr und mehr vom Streit um Technologien beherrscht wird.“ Familienrituale und grundlegende menschliche Beziehungen aufrechtzuerhalten, kann sich anfühlen, als müsste man einer ständig steigenden Flut widerstehen, einer Flut, die Eltern wie auch Kinder verschlingt. Jonathan Haidt ist Professor für Sozialpsychologie an der New York University. Seine Forschungsschwerpunkte sind die psychischen Grundlagen von Moral, moralische Emotionen und Moralvorstellungen in verschiedenen Kulturen.

Viele Eltern fühlen sich gefangen und machtlos

Jonathan Haidt betont: „Bei den meisten Eltern, mit denen Jonathan Haidt spricht, dreht sich die Geschichte nicht um eine diagnostizierte psychische Erkrankung.“ Vielmehr ist es die grundlegende Sorge, dass hier etwas Unnatürliches vor sich geht und ihre Kinder etwas – tatsächlich fast alles – verpassen, während sich ihre Online-Stunden häufen. Doch manchmal haben die Geschichten eine noch düstere Note. Die Eltern haben das Gefühl, dass sie ihr Kind verloren haben.

Ganz egal, welchem Muster die Geschichte folgt, die sie erzählen, oder wie ernst sie ist – immer gleich ist die Ohnmacht der Eltern, die sich gefangen und machtlos fühlen. Jonathan Haidt stellt fest: „Die meisten Eltern wünschen ihren Kindern keine smartphonebasierte Kindheit, doch irgendwie hat sich die Welt auf eine solche Weise neu konfiguriert, dass jeder Vater, jede Mutter, die sich widersetzt, ihr Kind zu sozialer Isolation verdammt.“ In den 2000er-Jahren gab es kaum Anzeichen dafür, dass die psychische Gesundheit von Jugendlichen bedroht war.

Anfang der 2010er-Jahre litten Teens zunehmend unter Angst und Depressionen

Dann, Anfang der 2010er-Jahre änderte sich die Situation ganz plötzlich. Jonathan Haidt erklärt: „Was psychische Erkrankungen angeht, so hat jeder Einzelfall mehr als eine Ursache. Es gibt stets eine komplexe Hintergrundstory, bei der Gene, Kindheitserfahrungen und soziologische Faktoren eine Rolle spielen.“ Jonathan Haidt konzentriert sich auf die Frage, warum die Raten für psychische Erkrankungen zwischen 2010 und 2015 bei der Generation Z – und einigen späterer Millennials – in so vielen Ländern anstiegen, während ältere Generationen viel weniger betroffen waren.

Was geschah mit den Teens Anfang der 2010er-Jahre? Die Forschung muss herausfinden, wer seit wann unter was litt. Jonathan Haidt schreibt: „Wichtige Hinweise zur Lösung des Rätsels fanden wir, als wir uns eingehender mit Daten zur psychischen Gesundheit von Jugendlichen beschäftigten. Der erste dieser Hinweise ist, dass sich die Zunahme auf Störungen im Zusammenhang mit Angst und Depressionen konzentriert, die in der Fachsprache der Psychiatrie als „internalisierende Störungen“ zusammengefasst werden.“ Quelle: „Generation Angst“ von Jonathan Haidt

Von Hans Klumbies

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