Die Akademikerquote ist gestiegen
Die Zeit, die Kinder und Jugendliche heute in Bildungseinrichtungen verbringen, ist deutlich länger geworden, und auch die Anzahl an Bildungsabschlüssen ist in den letzten Jahrzehnten drastisch nach oben gegangen. Jakob Pietschnig nennt ein Beispiel: „In Deutschland ist die Akademikerquote von sieben Prozent im Jahr 1975 auf fast 18 Prozent im Jahr 2004 gestiegen.“ Diverse Reformen haben in den letzten Jahrzehnten zu Verbesserungen im Bildungssystem geführt. So erlaubt beispielsweise das Belegen von Wahlpflichtfächern im Rahmen des Unterrichts eine individuelle Schwerpunktsetzung, die jeweils dem Interesse des Schülers entspricht. Und dadurch steigt natürlich die Lernmotivation. Wie verhält es sich, in Bezug auf die Intelligenz, mit den modernen Technologien, die für viele Menschen scheinbar unverzichtbar geworden sind? Jakob Pietschnig lehrt Differentielle Psychologie und Psychologische Diagnostik an der Universität Wien.
Die Digitalisierung hat die Anforderungen an das Denken verändert
Wirken sie sich positiv auf die Intelligenz aus oder lassen sie Menschen womöglich sogar verdummen? Jakob Pietschnig stellt fest: „Immer wieder wird vermutet, dass das Benutzen von Computern, Tablets und Handys unser Fähigkeit, logisch und abstrakt zu denken, beiläufig trainiert und so zu besseren Testleistungen führt.“ Mit Sicherheit ist es so, dass die Digitalisierung die Anforderungen an das Denken der Menschen verändert hat. Die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Intelligenz gibt, kann von zwei unterschiedlichen Blickwinkeln aus gestellt und auch beantwortet werden.
Kulturoptimisten gehen davon aus, dass moderne Technologien Intelligenz begünstigen. Sie nehmen an, dass der Umgang mit den komplexen Geräten des modernen Alltags viel Intelligenz erfordert – und Letztere damit fördert. Jakob Pietschnig fügt hinzu: „Tatsächlich erscheint es aus dieser Perspektive auch als plausibel, dass unsere kognitiven Fähigkeiten von der Digitalisierung profitieren. Man denke etwa an Computerspiele. Um solche erfolgreich zu meistern, muss man Aufgaben bewältigen, die im Laufe des Spiels immer anspruchsvoller werden.“
Das Fernsehen trug zur Anhebung des Grundwortschatzes bei
Seit ihrem Aufkommen gibt es Verfechter der Meinung, Computerspiele würden mehr nützen als schaden. Jakob Pietschnig ergänzt: „Neben dem Spielen kann man natürlich vor allem auch das Arbeiten am Computer und die Nutzung des Internets im Allgemeinen als informelle Lernumgebung betrachten, die unsere kognitiven Fähigkeiten fördert, und zwar insbesondere die Fähigkeiten im visuell-räumlichen Bereich.“ Durchaus können Parallelen zum Phänomen des Fernsehens gezogen werden.
Die weite Verbreitung des Letzteren zeichnet immerhin verantwortlich für die Anhebung des Grundwortschatzes von Menschen sämtlicher Bevölkerungsschichten. Jakob Pietschnig weiß: „Ein gänzlich anderes Bild zeichnen die Kulturpessimisten. Sie sind davon überzeugt, dass sich die omnipräsente Verfügbarkeit des Internets negativ auf das Wissen der Menschen auswirkt.“ Das Abrufen der Informationen auf Knopfdruck ersetze das mühsame Aneignen von Wissen. Quelle: „Intelligenz“ von Jakob Pietschnig
Von Hans Klumbies