Die Erziehung prägt die politische Gesinnung
Immer öfter greifen Rechtspopulisten nach der Macht. Es hat sich eingebürgert, ihren Ausstieg als Reaktion auf wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Krisen zu sehen. Herbert Renz Polster zeigt in seinem Buch „Erziehung prägt Gesinnung“, dass solche Deutungen dieser ernsten Bedrohung nicht angemessen sind. Ein Blick in die Geschichte kann dabei lehrreich sein: Es war nicht die „Weltwirtschaftskrise“, die Adolf Hitler an die Macht gebracht hat. Es waren Menschen mit einer klar definierten inneren Haltung, mit klar artikulierten, autoritären Überzeugungen. Nur, woher kommen diese Haltungen. Sie beginnen dort, wo ein Mensch klein und abhängig ist. In der Kindheit bildet sich der seelische Maßstab, der entscheidet, mit welcher Gesinnung man später durch das Leben geht. Der Kinderarzt Dr. Herbert Renz-Polster hat die deutsche Erziehungsdebatte in den letzten Jahren wie kaum ein anderer geprägt.
Ein autoritärer Erziehungsstil bereitet den Nährboden für den Populismus
In der Kindheit wird deutlich, ob es unter Menschen um Macht und Überlegenheit geht oder aber um Vertrauen und Zusammenarbeit. Erziehung ist also alles andere als eine Privatsache. Herbert Renz-Polster fragt unter anderem, wie diese neue, fanatische Kälte der Rechtspopulisten nur entstehen konnte. Fündig wird er in den Kinderzimmern. Denn ein bestimmter autoritärer Erziehungsstil geht in allen Kulturen einher mit einer Anfälligkeit für populistische Botschaften.
Herbert Renz-Polster kommt bei seiner Spurensuche zu folgendem Ergebnis: „Wer rechte Tendenzen verstehen und verhindern will, der muss eben doch auf die unglückliche Kindheit schauen.“ Dieses Kindheitsvermächtnis beschreibt Herbert Renz-Polster in seinem neuen Buch und benennt dabei die emotionalen und sozialen Einflüsse, welche die späteren politischen Überzeugungen eines Menschen prägen. Bei Persönlichkeitstests zeigen Anhänger der autoritären Rechten eine im Durchschnitt geringere Offenheit – darunter verstehen Psychologen die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen.
Rechtspopulisten begegnen selbst ihren Kindern mit Misstrauen
Auch zeigen sie ein deutlich höheres Bedürfnis nach Vorhersehbarkeit und Struktur. Vor allem aber ist bei ihnen die Ängstlichkeit stärker ausgeprägt. Das dürfte auch erklären, warum die autoritäre Rechte auf Endzeit- und Untergangsszenarien regelrecht spezialisiert ist. Die Rechtspopulisten gehen eindeutig von einer feindlichen Welt aus, vor der man sich besser schützt, und die geordnet und kontrolliert werden muss. Menschen, die auf Macht und Kontrolle setzen, werden auch ihren Kindern eher mit Misstrauen begegnen.
Herbert Renz-Polster glaubt, dass jeder Erwachsene von seinen Kindern lernen kann mutiger zu sein. Denn sie bereiten sich darauf vor, in Neuland vorzustoßen. Dorthin wo noch nie jemand gewesen ist. Herbert Renz-Polster schreibt: „Wenn es gut läuft in ihrer Kindheit, wenn sie starke, verlässliche und gütige Begleitung haben, werden sie dafür gut gerüstet sein. Sie werden dieses wüste Land aus Angst, Unsicherheit und Scham, in dem sich jetzt der populistische Ungeist ausbreitet, neu bepflanzen, aus der Tiefe ihres Herzens.“
Erziehung prägt Gesinnung
Wie der weltweite Rechtsruck entstehen konnte – und wie wir ihn aufhalten können
Herbert Renz-Polster
Verlag: Kösel
Gebundene Ausgabe: 314 Seiten, Auflage: 2019
ISBN: 978-3-466-31116-3, 20,00 Euro
Von Hans Klumbies