Die Gefühle beeinflussen den Geist
Wenn ein Mensch verletzt ist und Scherzen hat, kann er etwas dagegen tun. Ganz gleich, was die Ursache der Verletzung ist oder wie sich der Schmerz im Einzelnen anfühlt. Antonio Damasio fügt hinzu: „Das Spektrum der Situationen, die beim Menschen Leid verursachen können, umfasst nicht nur körperliche Wunden. Sondern sie umfasst auch die Verletztheit, die wir empfinden, wenn wir einen geliebten Menschen verloren oder eine Demütigung erlitten haben.“ Die Fülle derartiger Erinnerungen erhält das Leiden aufrecht und verstärkt es zugleich. Das Gedächtnis trägt dazu bei, dass ein Mensch die Situation in eine imaginäre Zukunft projizieren und sich die Folgen ausmalen kann. Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.
Menschen können Schmerz und Freude erleben
Menschen waren schon immer imstande, auf ihr Leiden zu reagieren, indem sie zunächst versuchten, ihre missliche Lage zu verstehen. Und indem sie dann für Ausgleich, Korrektur oder sonstwie effektive Abhilfe sorgten. Menschen konnten nicht nur Schmerz erleiden, sondern auch das genaue Gegenteil – Freude und Begeisterung – erleben. Und das in vielfältigen Situationen vom Einfachen und Banalen bis hin zum Erhabenen – von der Freude als Reaktion auf Geschmack und Geruch, auf Essen, Wein bis hin zu Sex und körperlichem Wohlbehagen.
Freude und Begeisterung stellt sich auch beim Wunder des Spielens oder dem Staunen und den erhabenen Gefühlen, die bei der Betrachtung einer Landschaft entstehen, ein. Oder wenn man eine anderen Menschen bewundert sowie tiefe Zuneigung zu ihm empfindet. Antonio Damasio ergänzt: „Ebenso haben die Menschen entdeckt, dass Machtausübung, Dominanz und sogar die Vernichtung anderer, nicht zur zu schierem Chaos und Zerstörung führen, sondern auch strategisch von Vorteil sein oder gar Vergnügen bereiten können.“
Die Gefühle stufen das Leben positiv oder negativ ein
Auch solche Gefühle wurden von Menschen zu einem praktischen Zweck genutzt: Sie waren der Antrieb zu der grundsätzlichen Frage, warum es Schmerzen überhaupt gibt. Und vielleicht rätselte man deshalb auch über den grotesken Umstand, dass das Leiden anderer unter bestimmten Umständen für Wohlbefinden sorgt. Vielleicht nutzten die Menschen verwandte Gefühle wie Furcht, Überraschung, Wut, Traurigkeit und Mitgefühl als Orientierung. Dadurch möchten sie Wege finden, wie man dem Leiden und seinen Ursachen entgegenwirken kann.
Warum gelingt es den Gefühlen, den menschlichen Geist so zu beeinflussen, dass er vorteilhaft handelt? Antonio Damasio kennt die Antwort auf diese Frage: „Ein Grund liegt in der Beobachtung dessen, was Gefühle im Geist bewirken und für den Geist tun. Ohne dass ein einziges Wort gesprochen wird, teilen Gefühle dem Geist unter normalen Umständen in jedem einzelnen Augenblick mit, ob der Lebensprozess in dem zugehörigen Körper in eine gute oder schlechte Richtung verläuft. Damit stufen die Gefühle den Lebensprozess auf natürlichem Wege danach ein, ob er dem Wohlbefinden und Gedeihen dienlich ist oder nicht.“ Quelle: „Am Anfang war das Gefühl“ von Antonio Damasio
Von Hans Klumbies