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Rollo May stellt seine Menschenkunde vor und übt Kulturkritik

Rollo May führt folgende vier Befunde für eine umfassende Wissenschaft vom Menschen an. Der Mensch ist erstens die Sprache über andere Lebewesen herausgehoben und lebt in einer Welt selbst geschaffener Symbole und Zusammenhängen von Bedeutungen. Zweitens hat der Mensch die Fähigkeit zur Zeitbindung. Das heißt, er kann die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft stets zu einer übergreifenden Einheit zusammenfassen. Sein zeitlicher Horizont kann sich über die Ewigkeit erstrecken.

Der Mensch bracht den Mut zur Ekstase

Als dritten Befund nennt Rollo May die Interaktion der menschlichen Persönlichkeit mit anderen Menschen. Das Ich, das Du und das Wir sind einander zugeordnet. Die Reife und die innere Größe eines Menschen zeigen sich darin, dass sie tief im kulturellen Zusammenhang der mitmenschlichen Welt verwurzelt sind. Viertens steht dem Menschen eine Welt zur Verfügung, deren Sinnzusammenhänge er erfassen und manchmal sogar selbst erschaffen muss. Die Offenheit gegenüber der Welt eines Menschen kann sich aber nur dann voll entfalten, wenn sein Mut zu Ekstase und Transzendenz nicht durch frühe Schicksale gebrochen wurde.

Ekstase definiert Rollo May als das sich einlassen mit der Welt, während Transzendenz für ihn im Sinne von Martin Heidegger das Überschreiten der Eigenwelt in Richtung auf die Mitwelt bedeutet. Das echte Ethos bedeutet für ihn nicht in sich selbst verkapselt zu bleiben. Eine Kultur, die dem Menschen würdig ist, muss ihm soviel Freiheit und Ichstärke vermitteln, dass ihm Freiheit, Verantwortung und Wertverwirklichung eher eine Lust als eine Last bedeuten.

Kurzbiographie: Rollo May

Rollo May wurde 1909 in Michigan (USA) geboren. Er studierte Psychologie und Philosophie, wobei er sehr von Alfred Adler beeinflusst wurde, dessen Schüler er zunächst in Wien und dann in New York war. In den späten 30iger Jahren schloss er sich dem William-Alanson-White-Institute für Psychiatrie in Washington an. Rollo May lehrte an vielen Universitäten, unter anderen in Yale, an der Columbia University und in Princeton.

Vor seinem Tod 1994 arbeitete er als Lehranalytiker und frei praktizierender Psychotherapeut in New York. Zu seinen Büchern, die teilweise Massenauflagen erzielten, zählen unter anderen: „The Meaning of Anxiety“ (1950), „Man`s Search for Himself“ (1953), „Die Sprache des Unbewussten“ (1968), „Der verdrängte Eros“ (1969) und „Die Quellen der Gewalt. Eine Analyse von Schuld und Unschuld“ (1972).

Von Hans Klumbies

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