Die Seele besteht aus einer Triade
Mit seiner Studie „Das Ich und das Es“ legte Sigmund Freud 1923 das Gefüge der Seele erstmals als Triade fest. Begründet wird es durch drei Kräfte, die in wechselseitiger Abhängigkeit stehen. Keine dieser Kräfte ist selbstständig, keine kann allein die Überhand gewinnen. Peter-André Alt ergänzt: „Es und Über-Ich streben auf unterschiedliche Weise nach Erfüllung der in ihnen angelegten Potentiale, sind aber aufeinander angewiesen.“ Energetische Tendenz und ökonomische Organisation der drei Instanzen fallen sehr unterschiedlich und auch in sich spannungsreich aus – das ist der Grund für die seelische Instabilität des Menschen. Bereits in Sigmund Freuds Traumtheorie ist das Unbewusste vom Vorbewussten und Bewusstsein zwar räumlich – im übertragenen Sinn – getrennt, jedoch wirken die Bereiche ineinander. Peter-André Alt ist Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Freien Universität Berlin.
Das Ich hat seine Vormachtstellung eingebüßt
Ähnlich fasste es Sigmund Freud in seinem neuen Entwurf von 1923 zusammen und betonte dies später immer wieder: „Ich, Es und Über-Ich bilden keine streng zu scheidenden Ebenen, aber auch keine friedlichen Paarverbindungen aus.“ Ich und Es sind gleichberechtigt, die zwar direkte Feindschaft ausschließt, aber auch besagt, dass das Ich seine Vormachtposition eingebüßt hat. Die Botschaft der Traumdeutung dachte Sigmund Freud jetzt in voller Konsequenz zu Ende: „Das Ich bekleidet im seelischen Apparat nur den Rang eines „konstitutionellen Monarchen“ mit eingeschränkten Herrschaftsbefugnissen.“
Einen Zugang zum psychischen System schuf allein die Einsicht in seinen dynamischen Charakter. Peter-André Alt erläutert: „Alle drei Kräfte teilen miteinander die Besonderheit, dass sie veränderlich sind und im Laufe des menschlichen Lebens unterschiedliche Gestalt, Prägung oder Gewichtung gewinnen können.“ Sigmund Freud begann seine Überlegungen, indem er das Unbewusste als eine Kategorie bestimmte, die man nur über die Ebene der Verdrängung erkennen kann. Es existiert entweder latent im Vorbewussten oder verdrängt, jenseits jeder Zugänglichkeit für das Bewusstsein.
Alles Verdrängte bleibt unbewusst
Das Unbewusste fällt zwar nicht mit dem Verdrängten zusammen, weil es auch Bereiche umfasst, die niemals bis zur Stufe des Verdrängtwerdens vorstoßen; umgekehrt aber gilt, dass alles Verdrängte unbewusst bleibt. Diese Definition war für Sigmund Freud wichtig, weil sie die doppelte Besetzung des Unbewussten zeigte – eine Art zweifacher Abwesenheit, aufgehoben in der Nichtzugänglichkeit des Verdrängten oder in der Nichtzugänglichkeit dessen, was bewusstseinsunfähig ist. Den gesamten Bereich, der hier zu Gesicht kam, nannte Sigmund Freud mit einem Begriff Georg Groddecks das „Es“.
Das Ich ist wiederum durch direkte Wirkungen sichtbar und bildet „diejenige seelische Instanz, welche eine Kontrolle über all ihre Partialvorgänge ausübt, welche zur Nachtzeit schlafen geht und dann immer noch die Traumzensur handhabt.“ Das Ich bleibt dennoch keine unabhängige Größe, denn es ist vom Unbewussten nicht klar abgeschieden. Es verhält sich so Sigmund Freud, wie ein Reiter zu einem wilden Pferd, dessen Kräfte niemals gebannt, im günstigsten Fall nutzbringend eingesetzt werden können. Quelle: „Sigmund Freud“ von Peter-André Alt
Von Hans Klumbies