Narzissten begeben sich selten in Therapie
Narzisstische Menschen können keine Schwächen an sich wahrnehmen. In Behandlung begeben werden sich also die wenigsten, da es an Krankheitseinsicht mangelt. Und wenn sie es doch tun, dann meist auf äußeren Druck hin. Turid Müller weiß: „Viele werden die Therapie aber schnellstens wieder verlassen. Denn behandlungsbedürftig zu sein, stellt natürlich eine Bedrohung für den Selbstwert dar.“ Die klassische Abwehr ist eine Verbündung mit der behandelnden Person oder deren Abwertung: „Der Grünschnabel hat keine Ahnung!“ In vulnerablen Phasen oder narzisstischen Krisen gibt es unter Umständen genug Leidensdruck, um sich Hilfe zu holen. Hier besteht dann allerdings die Gefahr, dass die narzisstische Störung nicht als solche erkannt, sondern mit Depression, Burnout oder etwas anderem verwechselt und folglich falsch behandelt wird. Turid Müller ist Diplom-Psychologin und ausgebildete Schauspielerin.
Die meisten Therapien bei Narzissten scheitern
Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass korrektive Lebensereignisse ebenfalls eine günstige Wirkung auf die Entwicklung haben und den Narzissmus vermindern können. Turid Müller erklärt: „Wenn es gelingt, das Leben so zu gestalten, dass es den persönlichen Idealen gerechter wird, kann sich das Selbstbewusstsein stabilisieren. Auch schwere Verluste wie Trennungen oder berufliches Scheitern können Menschen wachrütteln und zum Umdenken bringen.“
Unterm Strich lässt sich also sagen: Es ist nicht unmöglich, eine leichte Verbesserung zu erzielen – aber es ist langwierig, sehr unwahrscheinlich und wird in erster Linie schon an der fehlenden Bereitschaft, eine Therapie zu beginnen, scheitern. Turid Müller fügt hinzu: „Dr. Ramani Durvasula, eine der führenden Figuren der amerikanischen Narzissmus-Selbsthilfe, rät dringend davor ab, wegen der Hoffnung auf Veränderung in einer missbräuchlichen Beziehung zu verweilen.“ Das Versprechen, sich zu verändern, gehört durchaus zu den Taktiken, mit denen narzisstische Menschen ihre Opfer bei der Stange halten. Hoffnung ist ein starker Klebstoff.
Niemand ist vor narzisstischem Missbrauch gefeit
In der Literatur gibt es verschiedene Begriffe für Menschen, die narzisstischen Missbrauch erleben. Die gängigsten sind Opfer, Survivor – Überlebende – und Targets – Zielpersonen. Turid Müller stellt fest: „Keine dieser Bezeichnungen ist despektierlich gemeint. Keine beabsichtigt, Betroffene in die Opferrolle zu drängen. Im Gegenteil: Die Wortwahl soll deutlich machen, dass niemand vor narzisstischem Missbrauch gefeit ist.“ Und dass es eben nicht um gewöhnliche Beziehungsprobleme geht, zu denen beide beitragen.
An dieser Stelle möchte Turid Müller noch ein Wort der Warnung aussprechen: Es kommt immer wieder vor, dass narzisstische Menschen sich auf eine Paartherapie einlassen. Oft geschieht dies auf Initiative des Opfers, das nach einer Lösung sucht. Dies scheint gerade bei verdecktem Narzissmus vielfach nach hinten loszugehen: Ist der Mensch auf der anderen Seite des Schreibtischs nicht geschult, was Narzissmus angeht, besteht die Gefahr, dass er dem narzisstischen Charme erliegt und die Verantwortung für die Probleme ausschließlich beim Opfer sieht. Quelle: „Verdeckter Narzissmus“ von Turid Müller
Von Hans Klumbies