Erwachsene können Kindern die Angst nehmen
Eltern würden ihre Kinder am liebsten von allem Schlechten und Gefährlichen auf der Welt fernhalten. Dass dies gelingen kann, ist genauso eine Illusion wie absolute Sicherheit. Georg Pieper aber weiß: „Wir können allerdings dafür sorgen, dass sich Kinder und Jugendliche durch Ereignisse wie den Amoklauf in München oder die Terroranschläge in Paris nicht unmittelbar bedroht fühlen.“ Außerdem können die Eltern die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sie Flüchtlingen ohne unnötige Ängste begegnen. Kinder treffen Ereignisse wie die islamistischen Terroranschläge von Brüssel, Berlin und Paris häufig stärker als Erwachsene. Es handelt sich hier um von Menschenhand verursachte Gewalt. Aus der Traumaforschung weiß Georg Pieper, dass diese Traumatisierungen die schwersten sind. Der Psychologe, Therapeut und Traumaexperte Georg Pieper betreut seit Jahrzehnten Menschen nach extremen Katastrophen.
Bei Kindern ist das Gefühl der Bedrohung stärker
Sie entfalten eine weitaus größere Wucht als jene, die durch Naturkatastrophen wie ein Erdbeben oder einen Tsunami und Katastrophen mit technischer Ursache wie ein Zugunglück oder eine Flugzeugabsturz ausgelöst werden. Das liegt laut Georg Pieper im Wesentlichen daran, dass bei einem sogenannten Man-Made-Disaster das Vertrauen in die Mitmenschen verloren geht. Man weiß nicht mehr, wem man noch trauen kann. Das geht allen so, Kindern wie Erwachsenen.
Bei Kindern ist das Gefühl der Bedrohung noch einmal umfassender und auch stärker, weil sie die Hintergründe häufig nicht verstehen. Georg Pieper fügt hinzu: „Sie können Gewalttaten nicht einordnen, vor allem wenn sie noch jung sind. Wie nah ist der Ort des schrecklichen Geschehens, welche Bedeutung hat ein Vorfall für mich? So etwas können gerade Kinder im Vorschulalter nicht einschätzen.“ Für Kinder ist es noch weniger kalkulierbar als für Erwachsene, wen solch ein Ereignis treffen kann und ob sie es nicht auch selbst sein könnten.
Ein Terroranschlag ist höchst unwahrscheinlich
Dieses Gefühl der Hilflosigkeit belastet und verunsichert die Kinder enorm. Das Wichtigste, um Kinder nach einem schlimmen Ereignis ein Gefühl der Sicherheit zu geben, besteht darin, sie mit ihren Fragen uns Sorgen nicht allein zu lassen. Kinder im Grundschulalter kann man beispielsweise erklären, dass die Polizei und andere Sicherheitsbehörden die Menschen sehr gut beschützen und dafür sorgen, dass ein Terroranschlag höchst unwahrscheinlich ist. Man sollte Kindern allerdings nicht vormachen, es gäbe keine Terroristen und keine Gewalttaten.
Wenn ihre Eltern in solche Momenten der Verunsicherung für sie da sind und es ihnen offensichtlich gut geht, verlieren Kinder nicht das Urvertrauen und fühlen sich nicht unmittelbar bedroht. Georg Pieper rät den Eltern dazu, die Fragen der Kinder ehrlich zu beantworten und auch zu sagen, dass Menschen zu Schaden kamen und dass es Menschen, die so etwas erlebt haben, hinterher schlecht geht. Kinder dürfen wissen, dass grausame Dinge passieren können und dass Menschen, die diese schlimmen Dinge miterleben müssen, darunter leiden. Quelle: „Die neuen Ängste“ von Georg Pieper
Von Hans Klumbies