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Viele Menschen wollen immer mehr

Das Glück der Menschen hängt von Erwartungen ab, nicht von objektiven Umständen. Reinhard K. Sprenger erläutert: „Wenn sie bekommen, was sie wollen, sind sie glücklich, wenn sie nicht bekommen, was sie wollen, sind sie unglücklich.“ Die Krux: Je besser die Lebensbedingungen werden, desto größer werden die Erwartungen. In der Gegenwart kann man Dinge genießen, von denen frühere Menschen nur träumen konnten. Das reicht jedoch vielen Menschen nicht – sie wollen mehr. Egal was sie erreichen. Das ist automatisch ein Dauerkonflikt. Das hat Odo Marquard „Übererwartung“ genannt, die bisweilen völlig überzogenen Ansprüche an die Vollkommenheit der Welt. Perfektionsforderung als Realitätsvermiesung. Nun, was genau sind Erwartungen? Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

Die Menschen waren einst Kugelwesen

Reinhard K. Sprenger erklärt: „Erwartungen sind Annahmen, die in die Zukunft gerichtet sind, aber von vergangenen Erfahrungen geprägt werden. Sie sind praktisch Üblichkeiten und theoretisch Vorurteile.“ Wenn man also erwartet, dass man sich auf landläufige Weise begrüßt, auf gebräuchliche Weise gekleidet ist oder mehrere Argumente auf respektvolle Weise diskutiert. Damit sind gegenwärtige Erwartungen lebendige Vorzeit. Bisweilen wünschen Erwartungen sogar, dass Gegenwärtiges vorübergeht. Sie wenden sich dann der Zukunft zu.

Dies ist das Gegenteil von dem, was man heute unter „Achtsamkeit“ definiert. Der Vollständigkeit halber: Man kann sich auch in der Gegenwart Zukunft schenken. In der Liebe. Und nicht nur dort. Die Menschen waren einst Kugelwesen, so lässt Platon in seinem berühmten Gastmahl-Dialog den Aristophanes erzählen. Sie hatten kugelförmige Rümpfe, vier Arme, vier Beine, vier Ohren und zwei Gesichter, die in gegengesetzte Richtung blickten. Dadurch verfügten die Menschen nicht nur über gewaltige Beweglichkeit und Kräfte, sondern waren auch kenntnisreich und klug.

Zeus schnitt die Kugelmenschen in der Mitte durch

Schon bald erlebten die Götter sie als Bedrohung. Ein Konflikt bahnte sich an. Reinhard K. Sprenger weiß: „Einerseits wollten die Götter die Kugelmenschen nicht vernichten, weil sie Wert auf deren Opfer legten. Andererseits war ihr göttliches Machtmonopol gefährdet.“ Himmelsherrscher Zeus entschied sich daher, die Kugelmenschen lediglich zu schwächen. Wie? Er schnitt sie in der Mitte durch! Die Menschen litten schwer unter der Halbierung. Sie haderten mit ihrer Unvollständigkeit.

Sie suchten nach Ergänzung, die manche als ihre „bessere Hälfte“ bezeichnen. Was hat diese alte Geschichte mit Erwartungen zu tun? Das erotische Begehren sei so entstanden, vielleicht sogar die Liebe, will der Hauptstrom der Interpreten wissen. Die Liebenden sind getrennte Hälften eines Ganzen und streben immer wieder nach Vereinigung. Diese Sichtweise eignet sich für manch romantische Indienstnahme. Aber es gilt auch: Um die Gottwerdung zu verhindern, hat Zeus den Konflikt durch die Entzweiung gleichsam in die Menschen hineinverlagert! Quelle: „Die Magie des Konflikts“ von Reinhard K. Sprenger

Von Hans Klumbies

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