Erwin Ringel zeigt Wege zu einem gelungenen Leben
Laut Erwin Ringel ist der Mensch in erster Linie für seine Lebensgestaltung selbst verantwortlich. Für dieses Leben, von dem Sigmund Freud, der Gründervater der Psychoanalyse, einst behauptet hat, dass es nicht viel sei, aber dennoch alles, was wir besitzen. Es ist furchtbar, wenn man am Ende seines Daseins erkennen muss, dass man sein Leben nicht gelebt hat. Deshalb kann sich der Mensch nicht früh genug mit der Sinnerfüllung seines Lebens, mit dem einmaligen Entwurf, den jedes Leben darstellt, auseinandersetzen. Erwin Ringel vertritt die Meinung, dass jedes Dasein und jede Lebensgestaltung durch die Startbedingungen wesentlich beeinflusst wird. Wer hier von Gleichheit spricht, ist entweder ein gnadenloser Heuchler oder ein Verantwortungsloser.
Jedes Kind sehnt sich nach Liebe
Es ist für Erwin Ringel eine Gnade, wenn ein Kind bei Eltern aufwächst, die ihr Kind mit Güte, Wärme und Verständnschlich und partnerschaftlich umgeht, schafft damit die Grundlagen, durch die sich die Liebe zu den Eltern und dann zur Welt entwickeln kann, denn das Kind kommt ja mit einer Liebespotenz und der Sehnsucht nach Liebe zur Welt. Erwin Ringel schreibt: „Wir haben dem Kind nicht unseren Stempel aufzudrücken, es soll keine Miniausgabe der Erwachsenen werden, abwaschbar und pflegeleicht.“
Für die positive Gestaltung des Lebens ist laut Erwin Ringel die Fähigkeit zu guten mitmenschlichen Beziehungen ein ganz entscheidender Faktor. Denn der Mensch ist eben kein Einzelwesen, sondern auf Gemeinschaft ausgerichtet. Außerdem betont er ausdrücklich, dass auch eine positive Beziehung zum eigenen Ich eine unabdingbare Voraussetzung für ein gelungenes Leben darstellt. Der Mensch kann sich aber nur selbst lieben, wenn er auch von seinen Eltern geliebt wurde. Erwin Ringel erklärt: „Die Eltern lieben uns, also müssen wir etwas wert sein, also bekommen wir zu uns eine positive Beziehung.“
Selbstverwirklichung ist ohne Solidarität kaum möglich
In jedem Menschen steckt für Erwin Ringel eine Chance, eine einmalige Möglichkeit. Der Mensch braucht auch hier die bewegenden Beispiele, die Entwicklung eines Gefühls für andere. Erwin Ringel vertritt die These, dass Selbstverwirklichung ohne Solidarität kaum möglich ist. Sie bedeutet, dass man sich füreinander verantwortlich fühlt, und sie muss erlernt und ständig geübt werden. Erwin Ringel konkretisiert: „Der entscheidende Baustein der Solidarität ist wohl das Gefühl und nicht der Verstand. Aber unsere Erziehung vermittelt doch einseitig Wissen und Bildung, während die Menschenbildung, die Entwicklung der Persönlichkeit, überhaupt nicht Berücksichtigung findet.“ Um Solidarität zu erlernen, muss man sie erst einmal erfahren haben.
Kurzbiographie: Erwin Ringel
Der bekannte Wiener Psychiater und Psychotherapeut Prof. Dr. Erwin Ringel wurde am 27. April 1921 in Temesvár, Rumänien, geboren. Als Suizidforscher baute er 1948 das erste Präventivzentrum für Selbstmordgefährdete in Wien auf. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen: „Der Selbstmord. Abschluss einer krankhaften Entwicklung“, „Selbstmordverhütung“, „Die österreichische Seele“, „Die ersten Jahre entscheiden“, sowie „Selbstschädigung durch Neurose: Psychotherapeutische Wege zur Selbstverwirklichung“. Erwin Ringel starb am 28. Juli 1994 in Bad Kleinkirchheim an Herzversagen.
Von Hans Klumbies