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Früher war doch alles irgendwie besser

William James sagte einmal: „Die Kunst, weise zu sein, ist zu wissen, was übersehen werden kann.“ Irgendwann fing es bei vielen Menschen an. Dieses Gefühl, dass sie ihre Welt kaum wiedererkennen – vieles mutet anders an. Je nach Tagesform rutscht dann auch mal ein „nichts ist mehr, wie es war“ raus. Maren Urner fügt hinzu: „Oder wenn es ganz dicke kommt, ertappen wir uns dabei, wie unser viel zu schwer gewordener Kopf auf den verspannten Schultern in eine leichten Nickbewegung übergeht, wenn unser Gegenüber sich nach einer romantisierten Vorstellung von früher sehnt.“ Frei nach dem Motto: „Früher war doch alles irgendwie besser.“ Und selbst wenn man das „Besser“ nicht komplett unterschreiben kann, war es zumindest einfacher, übersichtlicher. Dr. Maren Urner ist Professorin für Medienpsychologie an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Köln.

Das Smartphone wurde zum ständigen Begleiter

Die Wahl zu haben war früher noch etwas Gutes, weil sie den Menschen das Gefühl vermittelte, sich entscheiden zu können. Maren Urner erklärt: „Da schwang ab und zu ein Hang von Freiheit mit. An der Eistheke, im Schuhgeschäft oder dem Möbelladen. Zwischen Ausbildungswegen, Jobangeboten und Bausparverträgen.“ Aber irgendwann multiplizierte sich alles – und auf einmal war es nicht mehr einfach, sich zu entscheiden. Statt drei gab es 30 und schnell 100 Fernsehprogramme, bevor Mediatheken und Streamingdienste die Auswahl in jedem Moment ins schier Unendliche katapultierten.

Parallel brauchte man plötzlich einen Internet- und mindestens einen Mobilfunktarif. Das Smartphone wurde zum ständigen Begleiter, vielleicht verbunden mit anderen internetfähigen Endgeräten, die auf einmal auch noch „smart“ sein sollen. Maren Urner ergänzt: „Die Geräte selbst eröffneten jeweils wieder selbst unbegrenzte Auswahlmöglichkeiten – und sei es nur für die eigene Nachfolge. Und auch wenn wir gar nicht nach diesen Entwicklungen gefragt hatten, verlangte unsere Umgebung immer mehr, dass wir uns positionieren mussten.“

Manche Menschen fühlen sich überfordert und erschöpft

Auf einmal warteten Tausende bunte, blinkende Banner auf den smarten Geräten. Und die Menschen gewöhnten sich an, Handy und Co. immer häufiger aus der Tasche zu ziehen. Schließlich konnten sie nun immer und überall erreichbar sein. Zumindest da, wo es Netz, Empfang und WLAN gab. Maren Urner stellt fest: „Nicht nur unsere Geräte waren jetzt „Always On Always Connected“, sondern auch wir selbst. Manchmal fühlten wir uns dabei auf eine zunächst unbestimmte Art und Weise ermüdet, ein wenig überfordert und erschöpft.“

Denn auch das Gehirn eines Menschen ist überfordert, wenn es andauernd entscheiden muss. Und weil Menschen weder digital noch analog wie der Ochs vorm Berg dastehen wollen, haben sie mit zunehmender Informationsfülle auch ein gesteigertes Bedürfnis, sich zu allen Dingen zu positionieren. Vielleicht nicht fundiert, aber auf jeden Fall deutlich. Heute vergeht kaum ein Tag, an dem Menschen nicht das Gefühl haben, dass sie zu irgendetwas eine Haltung einnehmen sollten. Quelle: „Radikal emotional“ von Maren Urner

Von Hans Klumbies

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