Gehirn und Körper formen den Geist
Üblicherweise gehen viele Menschen davon aus, dass der Geist vom Gehirn oder Zentralnervensystem erschaffen wird. Bei genauerem Hinsehen kann man allerdings erkennen, dass das nicht alles ist. David Gelernter erklärt: „Zu unseren Geisteszuständen gehören Gedanken und Gefühle; der Geist entsteht durch die Zusammenarbeit von Gehirn und Körper.“ Als einer von mehreren Philosophen spricht Ronald de Sousa von einem „zweispurigen Geist“, und bei den Spuren handelt es sich um „intuitive“ und „analytische“ mentale Abläufe. Auf die Annahme einer solchen Dichotomie kommt nahezu jeder, der schon einmal über den Geist nachgedacht hat. Menschen kommunizieren mit Sprache, auch mit Körpersprache – manchmal ist das so einfach wie ein Lächeln. Man kann sich etwas ausdenken oder nach Gefühl vorgehen. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.
Menschen lösen Probleme durch Denken und durch Fühlen
Menschen wissen nicht nur mit dem Geist, sondern auch mit dem Körper. Man trifft Entscheidungen und schmiedet Pläne nicht nur logisch, sondern auch emotional. In der Kultur der Gegenwart wird dem Rationalen gegenüber dem Emotionalen der Vorrang eingeräumt. Umgangssprachlich ist „rational“ gleichbedeutend mit sauber, gut beleuchtet, geschmackvoll dekoriert und tugendhaft. Das Emotionale ist klebrig und haltlos. Natürlich ist es auch schlecht, wenn man „keinen Fokus“ hat. Man warnt die Menschen davor, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen.
Manchmal gelangen Menschen durch Denken zur Lösung eines Problems, manchmal auch durch Fühlen. Manchmal kommen dabei unterschiedliche Entscheidungen heraus. Die meisten Menschen sind es gewohnt, dass ihre emotionalen Entscheidungen von rationalen, durchdachten Entschlüssen umgestoßen werden, aber manchmal ist es auch umgekehrt. Das emotionale System arbeitet in der Regel viel schneller, weil es unbewusst zu seinen Schlussfolgerungen gelangt. Manchmal kann man dafür sorgen, dass die eigenen Entscheidungen Bestand haben, indem man sie ausführt, bevor das Denken Zeit hat, sein Gewicht in die Waagschale zu werfen.
Manchmal ersetzt das Fühlen das Denken
David Gelernter stellt fest: „Manchmal können wir durch Fühlen unmittelbar zu einer Schlussfolgerung gelangen. In solchen Fällen ist das Fühlen nicht am Denken beteiligt, sondern es ersetzt das Denken.“ Manchmal gehen körperliche und geistige Gefühle auch ineinander über. Empfindungen sind geistige und körperlichen Phänomene zugleich, und das in einem Sinn, der für abstrakte Gedanken nicht gilt. In dem Kontinuum zwischen Körperlichem und Geistigem gibt es keine Möglichkeit eine Grenze zu ziehen.
Denken und Fühlen haben jeweils ihre eigenen Wege der Kommunikation. Wenn man starke Gefühle hat, zeigt auch der Körper, was man empfindet. So betrachtet, ist der Körper ein Teil des Gefühlssystems: Er spiegelt wider, was emotional abläuft. David Gelernter ergänzt: „Emotionale Entscheidungen werden außerhalb der bewussten Kontrolle getroffen und finden auch außerhalb der bewussten Kontrolle ihren Ausdruck.“ Menschen erleben Gefühle körperlich und teilen sie auch körperlich mit. Quelle: „Gezeiten des Geistes“ von David Gelernter
Von Hans Klumbies