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Gelungene Selbststeuerung erzeugt Lust

Die Erziehung zu einer gelingenden Selbststeuerung ist laut Joachim Bauer ein Akt der Balance. Von denen, die in pädagogischer Verantwortung stehen, fordert sie ein Gleichgewicht zwischen empathischer Zuwendung, dem Mut zur pädagogischen Führung und dem Gewähren von Freiheitsräumen. Dieses ermöglicht es Kindern und Jugendlichen, Autonomie zu erleben und ihre ganz eigenen Erfahrungen zu machen. Dieses Gleichgewicht ist nicht nur an die jeweilige Altersstufe anzupassen. Sondern es muss für jedes Kind individuell immer wieder neu austariert werden. Joachim Bauer erläutert: „Die Erziehung zu Selbstkontrolle und zur sich aus ihr ergebenden Selbststeuerung ist ein dialektischer Prozess. Kinder und Jugendliche sollen lernen, sie selbst zu sein und sich selbst zu steuern.“ Gerade dafür aber brauchen sie auch pädagogischer Widerstand. Der Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut Joachim Bauer lehrt an der Universität Freiburg.

Kinder und Jugendliche brauchen verlässliche Zuwendungen

Dieser Widerstand zwingt sie, sich mit ihren Impulsen und suchtartigen, auf schnelle Stillung ihrer Bedürfnisse abzielenden Verhaltenstendenzen auseinanderzusetzen. Dies kann nur in guten pädagogischen Beziehungen zu verlässlichen Bezugspersonen gelingen. Joachim Bauer erklärt: „Gute Beziehungserfahrungen sind eine unabdingbare Voraussetzung für die neurobiologische Entwicklung des Gehirns.“ Kinder und Jugendlichen brauchen aber nicht nur verlässliche Zuwendungen. Sie müssen die Abhängigkeiten von Bezugspersonen auch immer wieder infrage stellen und sich ein Stück weit aus ihr herauslösen dürfen.

Nur so entsteht Raum für persönliches Wachstum und Entwicklung. Für die Erziehenden besteht die Kunst darin, diesen Prozess möglich zu machen. Einerseits dadurch, dass sie sich immer wieder neu als zugewandte Bezugspersonen zur Verfügung stellen. Und andererseits dadurch, dass sie die sich wiederholenden notwendigen Ablösungsprozesse zulassen und ertragen. Momente gelungener Selbststeuerung haben einen hohen Lustfaktor. Sie stellen sich vor allem typischerweise dann ein, wenn man sich bewusst entschieden hat, nicht das Naheliegende, Bequeme oder Konventionelle zu tun.

Selbstkontrolle führt zu Zufriedenheit

Joachim Bauer stellt fest: „Tatsächlich aber hat die Fähigkeit zur gezielt ausgeübten Selbstbeschränkung, zur bewussten Hemmung kurzfristiger Impulse und Gelüste ein erhöhtes Maß an Freiheitsräumen und Selbststeuerungsmöglichkeiten zur Folge.“ Einem dialektischen Prinzip folgend, kann ein momentaner Verzicht reicher und eine bewusste Selbstbeschränkung freier machen. Jetzt akzeptierte Anstrengungen können zu einem höheren Maß an späterem Glück führen. Allerdings gibt es wirksame Kräfte, die einen Menschen im Mainstream festhalten. Diese hindern ihn daran, ein autonomes Leben zu führen.

Wer über Selbstkontrolle verfügt, erlebt nicht nur ein höheres Maß an Zufriedenheit mit seinem Leben als Ganzes. Sondern er hat auch im Alltag ein Mehr an guten Gefühlen. Was im Alltag besonders stresst und schlechte Gefühle macht, sind fortwährende Konflikte zwischen dem Nachgeben und dem Widerstehen gegenüber einer Versuchung. Personen mit starker Selbstkontrolle leben so, dass sie mit solchen inneren Konflikten von vornherein deutlich weniger konfrontiert sind als andere. Joachim Bauer betont: „Das erspart diesen Menschen nicht nur eine Menge schlechter Stimmungen, sondern vermittelt ihnen außerdem ein gutes Gefühl der Übereinstimmung mit sich selbst.“ Quelle: „Selbststeuerung“ von Joachim Bauer

Von Hans Klumbies

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