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Gewalt von Kindern gegenüber ihren Eltern ist ein Tabuthema

Wenn Kinder ihre Eltern schlagen, wird darüber in der Öffentlichkeit meist geschwiegen. Anstatt Hilfe zu suchen, fragen sich die Betroffenen, was sie falsch gemacht haben. Deshalb hört man so selten von Eltern, die von ihren Kindern beschimpft, bedroht oder angegriffen werden. Doch sind diese Fälle gar nicht mal so selten. Experten schätzen, dass in Deutschland rund zehn bis 16 Prozent der Familien Kinder seelische oder körperliche Gewalt gegen ihre Eltern anwenden. Viele schweigen aus Scham, bräuchten in Wirklichkeit aber dringend Hilfe. Eine Anlaufstelle für solche Fälle ist zum Beispiel die Kinder- und Jugendpsychiatrie Passau. Dort wird in Gesprächen mit den betroffenen Familien herausgearbeitet, warum die Patienten zu Aggression neigen. Der leitende Oberarzt Dr. Burkhard Wolff erklärt: „Im Grunde genommen ist das aggressive Verhalten nur ein Symptom“.

Kindliche Aggressivität kann vielfältige Ursachen haben

Auslöser dafür könne vieles sein. Etwa wenn Kinder überfordert werden, wenn Eltern von ihren in der Schule oder zu Hause mehr verlangen, als sie zu leisten in der Lage sind. Streiten sich Eltern könne das Kind in Loyalitätskonflikte geraten. Ein Grund kann laut Burkhard Wolff auch sein, wenn eine stabile Vertrauens- und Beziehungsbasis zwischen Kindern und Eltern fehlt. Burkhard Wolff ergänzt: „Oft haben Kinder auch nicht die Möglichkeit, ihre Bedürfnisse angemessen verbal zu äußern.“

Als mangelnde Gründe dafür nennt der Oberarzt mangelnde Übung in der Lösung von Konflikten, schlechte Vorbilder oder unzureichende Aufmerksamkeit durch die Bezugspersonen. Konflikte im Freundeskreis oder in der Schule, Erfahrungen von Mobbing und tiefgreifende psychische Probleme könnten Jugendliche dazu veranlassen, ihre Frustration zu Hause auszuleben. Burkhard Wolff erläutert: „Die Kinder reagieren dann, vor dem Hintergrund ihrer mangelnden Alternativen, mit Aggressivität.“

Impulsives Verhalten kann unter anderem genetisch bedingt sein

Zudem spiele häufig eine genetische Veranlagung für das Temperament und dadurch auf für impulsives Verhalten eine große Rolle. Burkhard Wolff erklärt: „Physische Gewalt gegen Eltern kann unterschiedlich aussehen, vom Ziehen an den Haaren über Beißen, Stoßen oder Treten bis hin zu festen Schlägen.“ Psychische Gewalt äußere sich in Form von Ärgern, Quälen, Beschimpfen, Drohen, Erpressen, Stehlen, verfassen von Drohbriefen sowie Telefon- oder TV-Terror. Bereits in der frühen Kindheit können Regulationsstörungen auftreten.

Burkhard Wolff sagt: „Kleinkinder schreien dann viel, finden nicht zur Ruhe, fordern durch aufdringliches Verhalten ungewohnt viel Aufmerksamkeit ein.“ Kinder nähmen sich ihre Eltern uneingeschränkt zum Vorbild und übernähmen diesen Kommunikationsstil. In Fällen von Aggression von Kindern gegenüber ihren Eltern gehe es laut Burkhard Wolff erst einmal darum, die Eltern wertfrei zu beraten. Denn häufig stellten diese ihre Erziehungskompetenz in Frage, hätten Schwierigkeiten sich mitzuteilen oder um Hilfe zu fragen. Diese Scham muss erst einmal überwunden werden. Quelle: Passauer Neue Presse

Von Hans Klumbies

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