Große Denker prahlen nicht mit Wissen
Es gibt zahlreiche Anhaltspunkte dafür, dass Selbstsicherheit genauso oft das Ergebnis wie die Ursache von Fortschritt ist. Adam Grant erklärt: „Wir müssen nicht darauf warten, dass unsere Selbstsicherheit wächst, um herausfordernde Ziele zu erreichen. Wir können selbstsicher werden, indem wir herausfordernde Ziele erreichen.“ Unsicherheit veranlasst Menschen Fragen zu stellen und neue Ideen zu sammeln. Sie schützt sie vor dem Dunning-Kruger-Effekt. Der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt, dass Menschen mit geringer Kompetenz ihre Fähigkeiten überschätzen und sich als kompetenter präsentieren als sie eigentlich sind. Große Denker hegen nicht deswegen Zweifel, weil sie Hochstapler sind. Sie prahlen nicht mit ihrem Wissen, sie wundern sich, wie wenig sie verstehen. Adam Grant ist Professor für Organisationspsychologie an der Wharton Business School. Er ist Autor mehrerer internationaler Bestseller, die in 35 Sprachen übersetzt wurden.
Nur interessante Ideen überleben
Sie sind sich bewusst, dass jede Antwort neue Fragen aufwirft und dass das Streben nach Erkenntnis nie aufhört. Ein Kennzeichen lebenslang Lernender ist, dass sie von jedem, dem sie begegnen, etwas lernen können. Adam Grant stellt fest: „Arroganz macht und blind für unsere Schwächen. Demut ist eine Reflexionslinse: Sie hilft uns, diese Schwächen klar zu sehen. Selbstbewusste Demut ist eine Korrekturlinse: Sie befähigt uns, die Schwächen zu überwinden.“
Laut Adam Grant ist es nicht immer schlecht, sich zu irren. Denn es kann ein Zeichen dafür sein, dass man etwas Neues gelernt hat und dass diese Entdeckung Freude bereiten kann. Der Soziologe Murray Davis hat einmal behauptet, Ideen würden nicht deshalb überleben, weil sie wahr sind. Sie würden überleben, weil sie interessant sind. Eine Idee werde dadurch interessant, dass sie unsere nicht festgefahrenen Meinungen infrage stelle. Adam Grant erläutert: „Wenn eine Idee oder Annahme uns nicht viel bedeutet, stellen wir sie oft voller Begeisterung infrage.“
Im Kopf mancher Menschen lebt ein Minidiktator
Die natürliche Abfolge von Emotionen ist Überraschung, gefolgt von Neugier und Begeisterung. So soll Isaak Newton gesagt haben, dass große Erfindungen häufig nicht mit einem „Heureka!“ beginnen, sondern mit „Das ist komisch …“. Wird eine Grundüberzeugung infrage gestellt, neigen viele Menschen dazu, dichtzumachen, statt sich zu öffnen. Es ist so, als lebe ein Miniaturdiktator im Kopf dieser Menschen, der den Fluss der Fakten zum Geist kontrolliert.
Adam Grant weiß: „In der Psychologie spricht man hier von einem totalitären Ego, dessen Job es ist, bedrohliche Informationen fernzuhalten.“ Es ist leicht nachvollziehbar, dass ein innerer Diktator sich als nützlich erweist, wenn jemand die eigene Persönlichkeit angreift und die persönliche Intelligenz infrage stellt. Derlei persönliche Affronts drohen Aspekte der Identität eines Menschen zu erschüttern, die ihm wichtig sind und sich möglicherweise nur schwer ändern lassen. Quelle: „Think Again“ von Adam Grant
Von Hans Klumbies