Normen bestimmen das Leben
Hadija Haruna-Oelker schreibt: „Der Mensch wird und wächst in ständiger Veränderung von Dingen und anderen Menschen um ihn herum. Sich eingliedern beginnt in der Familie, der Beziehung zu Gleichaltrigen, dem Umfeld.“ Die Vergesellschaftung folgt. Mehr Menschen kennenlernen, Verhaltensweisen in sich verankern, Institutionen durchlaufen, Freundschaften schließen. Sich im Denken und Fühlen an soziale Regeln und Abläufe anpassen. Daneben kann man sich den Meinungen und Gefühlen seiner Nächsten nicht entziehen. Man fühlt sich zugehhörig und angehörig. Die Ausprägung des eigenen Seins, der Persönlichkeit ist eingegliedert in die sozialen Orte, in denen man lebt. Bis ins Alter lebt man in Abhängigkeit von Normen und Werturteilen, um sich miteinander zurechtzufinden. Hadija Haruna-Oelker lebt als Autorin, Redakteurin und Moderatorin in Frankfurt am Main. Hauptsächlich arbeitet sie für den Hessischen Rundfunkt.
Mikroaggressionen wirken erschöpfend
Mikroaggressionen nannte der Sozialpsychologe Chester Pierce 1970 die vielen kleinen Stiche, die ständigen verbal und nonverbal abwertenden Botschaften und Erfahrungen, die sich in einem Menschen ansammeln. Hadija Haruna-Oelker erklärt: „Wie kleine Mückenstiche, wenn eine Person jeden Tag gestochen wird, und das immer an der gleichen Stelle. Mikroaggressionen wirken erschöpfend.“ Vor allem, wenn man als Kind und junge Erwachsene keine Worte für das Erlebte hat.
Und wenn man überhaupt erst im Nachhinein realisiert, womit man gerade konfrontiert wurde. Es ist alltäglicher Rassismus, der etwas beschreibt, dass auf der Ebene alltäglicher Szenarien und Nebenschauplätzen passiert. Der Historiker Ibram X. Kendi nennt sie auch „rassistische Angriffe“, weil es alles andere als harmlos ist, wenn man jeden Tag Rassismus erfährt. Die Autorin Alice Hasters bringt vieles davon in ihrem Buch „Was Weiße nicht über Rassismus wissen, aber wissen sollten“ auf den Punkt.
Rassismus verletzt die Betroffenen
Alice Hasters schreibt: „Dinge sind nicht rassistisch, weil sie verletzend sind, sondern verletzend, weil sie rassistisch sind.“ Das erklärt, wie sich still und leise die Verbindung zwischen Bauch und Kopf trennen kann und wie schmerzlich es ist, wenn man sich dessen bewusst wird. Es gibt Menschen, die Schritt für Schritt aufarbeiten, dass andere ihr Aussehen oder Verhalten kommentieren und einsortieren. Dabei haben sie vielleicht gelernt, sich das nicht anmerken zu lassen.
Sie lernen, wie Rassismus zu ihrem Lebensbegleiter wird, mit dem sie sich immer wieder, im Kleinen wie im Großen, arrangieren müssen, weil viele Menschen ihn nicht sehen wollen. Hadija Haruna-Oelker erinnert sich an viele Erlebnisse, die davon berichten, wie es ist, wenn einen Menschen seine Differenz in einer Welt der vermeintlich Gleichen zu einem Anderen macht. Mikroaggressionen treffen auch Menschen, die wegen ihrer Genderdifferenz oder ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Quelle: „Die Schönheit der Differenz“ von Hadija Haruna-Oelker
Von Hans Klumbies