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Jeder Mensch lebt in seinem eigenen Film

Menschen sind sehr verschieden – jeder lebt in seinem eigenen Film. Und dennoch gibt es die Idee der „Normalität“ und einer „Norm“. Franca Cerutti erläutert: „Das bezeichnet nichts anderes als das, was mehrheitlich gedacht, gemacht und für okay gehalten wird. Die Norm ist der Punkt, an dem die meisten Menschen eine Schnittmenge haben.“ Wie aber kommt es zu Abweichungen von der Norm? Und warum werden Menschen ver-rückt? Dazu gibt es einige Modellvorstellungen. Eine besonders griffige möchte Franca Cerutti hier vorstellen. Kurz gesagt, treffen zwei Faktoren aufeinander: eine genetische Veranlagung plus Umweltbedingungen, die einen negativen Einfluss haben. In ihrem Buch „Psychologie to go! Wie verrückt sind wir eigentlich?“ erklärt die Psychotherapeutin mit eigener Praxis und Podcasterin Franca Cerutti, was im Körper eines Menschen bei psychischen Erkrankungen, die oft unseren Alltag erschweren, konkret passiert.

Eine Veranlagung ist kein unausweichliches Schicksal

Die Veranlagung für eine Erkrankung nennt man auch Vulnerabilität, nach dem lateinischen Wort für „Verwundbarkeit“ oder „Verletzlichkeit“. Die Vulnerabilität ist so etwas wie die persönliche Achillesferse. Es ist zum Beispiel möglich, dass man die Veranlagung für Bluthochdruck oder Neurodermitis geerbt hat. Wenn man jedoch ein gechilltes Leben führt und sich von auslösenden Faktoren fernhält, kann es gut sein, dass man niemals Bluthochdruck entwickelt und sich für immer wohlfühlt in seiner Haut.

Franca Cerutti weiß: „Eine genetische Veranlagung zu haben, bedeutet nicht, dass du auf jeden Fall die entsprechende Symptomatik entwickelst, sondern nur, dass die Möglichkeit besteht.“ Für psychische Erkrankungen gilt das Gleiche: Ausgeprägt ängstlich oder depressiv zu reagieren, liegt manchen Menschen in den Genen. Auch die Neigung, eine Abhängigkeit zu entwickeln, wurde manchen Menschen vielleicht bereits in die Wiege gelegt. Aber noch mal: Franca Cerutti spricht über eine Veranlagung, nicht über ein unausweichliches Schicksal.

Paradiesische Umstände schützen nicht vor Erkrankung

Denn ganz entscheidend ist darüber hinaus, wie man lebt und welche Erfahrungen man macht, was einem Menschen vorgelebt wird und welchem Druck man ausgesetzt ist. Paradiesische Umstände schützen nicht vor Erkrankung. Und belastende Umstände machen nicht automatisch krank. Franca Cerutti spricht über die vielschichtige Kombination aus Einflüssen und Möglichkeiten. Und nicht nur die Biografie und die Herkunft, auch die aktuellen Lebensumstände können die genetische Verletzlichkeit eines Menschen ungünstig befeuern.

Für alles, was einen menschlichen Zweibeiner belasten kann, hat die Wissenschaft einen allgemeinen Oberbegriff gefunden: Stress. Dieser Begriff kommt ursprünglich aus der Werkstoffkunde. Franca Cerutti fügt hinzu: „Der österreichisch-kanadische Mediziner Hans Selye übertrug den Begriff 1936 erstmals auf die menschliche Psyche und hat damit eine allgegenwärtige und stets passende Zustandsbeschreibung geschaffen.“ „Stress“ hat es unter die hundert Wörter des 20. Jahrhunderts geschafft. Quelle: „Psychologie to go!“ von Franca Cerutti

Von Hans Klumbies

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