Johannes Steyrer erklärt das Prinzip der Gegenseitigkeit
Johannes Steyrer gibt folgende Ratschläge: „Schenke Vertrauen, damit andere dir vertrauen. Liebe selbst, damit du geliebt wirst. Kooperiere, um produktiv zusammenzuarbeiten. Lasse dir aber Vertrauensbrüche, Lieblosigkeit und ausbeuterisches Verhalten nicht gefallen.“ Vertrauensbrüche, die von einem selbst als Erstschlag ausgehen, rechnen sich in einer Welt der Gegenseitigkeit nicht. Das zeigt eindrucksvoll die Spieltheorie, die seit vielen Jahrzehnten ein prominentes Element der Ökonomie und verwandter Disziplinen ist. Folgendes Beispiel: Zwei gefasste Bankräuber werden in getrennten Polizeiwachen verhört. Der Polizist verspricht demjenigen, der zuerst gesteht, Strafminderung. Beide Räuber wissen aber: Wenn sie schweigen, kann ihnen nur illegaler Waffenbesitz nachgewiesen werden. Jeder steht also vor folgendem Dilemma: Handle ich nach dem egoistischen Motto „Ich oder Du“ (in diesem Fall: „Ich verrate den anderen“), was aber nur dann von Vorteil ist, wenn der andere auch schweigt. Johannes Steyrer ist seit 1997 Professor für Organizational Behavior an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Robert Axelrod hat eine einfache Erfolgsstrategie „Tit for Tat“ genannt
Oder handle ich nach dem kooperativen Motto „Ich und Du“ (in diesem Fall: „Ich schweige“ und hoffe, dass der andere auch schweigt). Sind beide misstrauisch und egoistisch, verpfeifen sie sich gegenseitig, landen sie in der Lose-lose-Falle (beide verlieren, es gibt keinen Gewinner) und sitzen wegen Bankraubs sehr lange im Gefängnis. Wenn beide kooperieren – also schweigen –, entsteht eine Win-win-Situation, und beide kommen aufgrund des vergleichsweise harmlosen Waffenbesitzes rasch frei.
Verpfeift einer den anderen, während der andere das nicht tut, hat Ersterer auf Kosten des Zweiten gewonnen und kommt frei. Der andere sitzt für lange Zeit im Gefängnis. Der amerikanische Politikwissenschaftler Robert Axelrod hat anhand von Computerturnieren überprüft, welches Vorgehen in derartigen Situationen und bei langfristigen, also nicht einmaligen Begegnungen am erfolgreichsten ist. Es hat sich eine einfach gestrickte Erfolgsstrategie herauskristallisiert, die er „Tit for Tat“ genannt hat.
Robert Axelrod empfiehlt ausnahmslos konsequente Vergeltung bei Betrug
Johannes Steyrer erläutert: „Nach dieser Strategie ist es wichtig, im ersten Schritt zu kooperieren, aber in weiterer Folge immer das zu tun, was das Gegenüber in der Vorrunde getan hat. Kooperation wird also mit Kooperation belohnt und Betrug mit Betrug bestraft.“ Das ist gelebte Reziprozität sowohl im Guten als auch im Bösen. Aus seinen Befunden ergeben sich folgende weitere Schlussfolgerungen: Betrüge nie als Erster, denn es ist schwer, sich aus der Spirale wechselseitiger Vergeltung zu befreien.
Vergelte einen Betrug sofort, denn Altruismus veranlasst erfolgreiche Ergebnisoptimierer nicht zur Aufgabe ihrer ausbeutenden Haltung. Vergiss alles, was dein Gegner zuvor getan hat – bis auf den letzten Zug. Robert Axelrod empfiehlt also ausnahmslos konsequente Vergeltung bei Betrug. Erst wenn das Gegenüber von sich aus auf Kooperation umschwenkt, wird diese erwidert. Einen Vertrauensvorschuss muss also das Gegenüber erbringen, wenn es zuvor nicht kooperativ gewesen ist. Quelle: „Die Macht der Manipulation“ von Johannes Steyrer
Von Hans Klumbies