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Kriege lassen sich vielleicht nicht verhindern

Das Schicksal der Menschheit, klagt Albert Einstein, liegt in den Händen einer „herrschenden Schicht“, die nach Macht strebt und sich jeder „Einschränkung der Hoheitsrechte“ widersetzt. Sigmund Freuds kritisches Urteil sei für diese Zeit, in der Europa erneut vor einem Weltkrieg stehe, von größter Wichtigkeit. Judith Butler fügt hinzu: „Albert Einstein will wissen, ob es im Triebleben der menschlichen Psyche eine Grundlage für eine politische Ordnung gebe, die Kriege effektiv verhindern könnte.“ Besonders interessiert ihn die Frage, ob man eine Vereinigung oder ein Tribunal schaffen könnte, mit dessen Hilfe sich die destruktive Macht der Triebe in Schach halten ließe. Albert Einstein sieht das Problem zunächst in den destruktiven Trieben. Judith Butler ist Maxine Elliot Professor für Komparatistik und kritische Theorie an der University of California, Berkeley.

Im Menschen lebt möglicherweise ein Bedürfnis zu vernichten

Albert Einstein fragt jedoch auch nach politischen Institutionen und fordert, dass die einzelnen Nationen ihre Souveränität einer internationalen Körperschaft übertragen, die sich der Kriegsverhütung und der Garantie der internationalen Sicherheit verpflichten würde. Judith Butler ergänzt: „Dieses Ziel lässt sich nur verwirklichen, wenn Menschen zur Schaffung und Anerkennung internationaler Einrichtungen mit den Mitteln zur Kriegsverhütung imstande sind.“ Wird diese Fähigkeit durch Neigungen oder Triebe unterlaufen, lassen sich Kriege möglicherweise gar nicht verhindern.

Albert Einstein, der Sigmund Freud zweifellos gelesen hat, fragt, ob im Menschen „ein Bedürfnis zu hassen und zu vernichten“ lebt, das „zur Massenpsychose gesteigert werden“ kann. Judith Butler stellt fest: „Er fragt sich, ob die Destruktionstriebe begrenzt werden können, aber auch, ob bestimmte Praktiken oder Institutionen geschaffen werden könnten, die einen Krieg erschweren würden.“ Gewalt, so Albert Einstein, kann die Form von Kriegen zwischen Staaten annehmen, aber auch in Bürgerkriegen aus religiösem Eifer und in der „Verfolgung nationaler Minderheiten“ ausbrechen.

Die Macht der Gemeinschaft setzt sich durch

Sigmund Freud gesteht, dass er keine praktischen Vorschläge hat, aber seine Bemerkungen artikulieren doch eine politische Position. Judith Butler erläutert: „Er schlägt zunächst vor, Einsteins Unterscheidung zwischen Recht und Macht durch die Unterscheidung von Recht – der Begriff steht im Deutschen sowohl für das Rechtssystem als auch für Gerechtigkeit – und Gewalt zu ersetzen.“ Nach Sigmund Freuds Darstellung wurden Konflikte zwischen Personen und Gruppen herkömmlicherweise gewaltsam gelöst, ein Mittel, das weniger oft zum Einsatz kam, als sich die Gruppenbildungen veränderten.

Dann „führte ein Weg von der Gewalt zum Recht“ sodass „die Vereinigung mehrerer Schwachen“ die größere Stärke einzelner wettmachte. Gewalt „wird gebrochen durch Einigung“ oder „die Macht dieser Geeinigten“, sodass es „nicht mehr die Gewalt des Einzelnen ist, die sich durchsetzt, sondern die der Gemeinschaft“. Und weiter: „Aber damit sich dieser Übergang von der Gewalt zum neuen Recht vollziehe“, muss diese Einigung „eine beständige, dauerhafte sein“. Quelle: „Die Macht der Gewaltlosigkeit“ von Judith Butler

Von Hans Klumbies

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