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Kognitive Abkürzungen sparen Zeit und Energie

Menschen sind aus einem bestimmten Grund voreingenommen. Für die frühen Vertreter unser Spezies hat sich nie viel von heute auf morgen verändert. Ob sie überlebten oder nicht, hing von ihrer schnellen Reaktion ab. Jonathan Rauch ergänzt: „Die menschlichen Reaktionsmuster prägten sich daher so aus, dass sie an unsere Umwelt angepasst waren; unsere Gehirne sind darauf gepolt, bestimmte Vermutungen oder Vorhersagen anzustellen.“ Diese kognitiven Abkürzungen sparen Zeit, Energie und sind potenziell lebensrettend. In der Savanne, wo das unzureichende Reagieren auf eine Gefahr tödlich enden kann und statistische Risikoanalysen selten zur Verfügung stehen, ergibt es Sinn, sich von seinen emotionalen Reaktionen auf Reize oder Bedrohungen leiten zu lassen. Jonathan Rauch studierte an der Yale University. Als Journalist schrieb der Politologe unter anderem für das National Journal, für The Economist und für The Atlantic.

Verzerrte Wahrnehmung führt oft auf eine falsche Fährte

Ebenso ergibt es Sinn, dass man in kleinen Stammesgruppen, wo das Überleben davon abhängt, dass man sich auf die Informationen und den Schutz anderer verlassen kann, den Aussagen vertraut, die man häufig von den Menschen um sich herum vernimmt. Jonathan Rauch erklärt: „Und auch heute ist normalerweise nichts verkehrt daran, Heuristiken zu verwenden, das heißt die Entscheidungsfindung dadurch abzukürzen, dass man sich auf seine Eingebung, auf Pauschalurteile oder auf Faustregeln verlässt, von denen sich einige der Erfahrung und andere der evolutionären Entwicklung verdanken.“

Jonathan Rauch warnt: „Aber trotzdem: In einer komplexen Umgebung, die nach differenzierten Urteilen verlangt, führt uns unsere verzerrte Wahrnehmung oft auf eine falsche Fährte, während sie uns zugleich für die Möglichkeit unempfindlich werden lässt, dass wir eventuell falsch liegen könnten.“ Und es ist wichtig zu betonen, dass Voreingenommenheiten, gerade weil sie evolutionär entstanden sind, um Menschen in bestimmte Richtungen zu lenken, nicht zu Fehlern führen, die einem erkennbaren Muster folgen.

Selbst offensichtlichen Manipulationen kann man sich nicht gänzlich entziehen

Propagandisten, begabte Psychologen, machen sich das Vertrautheitsvorurteil zunutze, indem sie Lügen solange wiederholen, bis sie irgendwann vertraut klingen, und indem sie die empörten Zielgruppen dieser Lügen dazu verführen, sie sogar noch zu wiederholen. Jonathan Rauch fügt hinzu: „Die Werber, vielleicht die besten Psychologen von allen, sind Virtuosen auf dem Gebiet der Ausnutzung von Framing-Effekten, indem sie Bilder und Assoziationen gebrauchen, um unsere Einstellungen schon zu beeinflussen, bevor das erste Wort der Werbebotschaft überhaupt gefallen ist.“

Und auch wenn die Manipulation offensichtlich ist, können Menschen sich ihr doch nicht gänzlich entziehen. Die Literatur zu kognitiven und perzeptuellen Verzerrungen ist monumental. Für die Klärung der Frage, warum Menschen die Verfassung der Erkenntnis benötigen, scheinen einige dieser Voreingenommenheiten jedoch von besonderer Bedeutung zu sein. Jonathan Rauch erläutert: „Eine davon ist der Bestätigungsfehler, der primär auf der individuellen Ebene wirksam ist und die Art und Weise beeinflusst, wie wir denken – ebenso wie sein naher Verwandter, das motivierte Denken.“ Quelle: „Verteidigung der Wahrheit“ von Jonathan Rauch

Von Hans Klumbies

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