Pubertät ist für Eltern anstrengend
Die Pubertät beginnt früher als viele denken, schon mit zehn Jahren flackert sie immer mal auf. Cornelia Karin Hendrich fügt hinzu: „Es folgen in den nächsten Jahren endlose Diskussionen über dieses und jenes, wütendes Ausrasten aus dem Nichts und ständige Kritik an den Eltern.“ Pubertät ist für Eltern anstrengend. Sie werden „from Hero to zero“, sagt der Diplompädagoge Matthias Jung. Typische sind für einen Teenager Stimmungsschwankungen. Scheinbar aus dem Nichts schreien sie die Eltern an und beleidigen sie. Und die Kinder wissen oft genau, welche Knöpfe sie drücken müssen, um zu verletzen. Aber es gibt Möglichkeiten, mit der Pubertät umzugehen, ohne das Kind am liebsten abgeben zu wollen. Der Diplompädagoge Matthias Jung hat mehrere Bücher zum Thema Pubertät geschrieben.
In der Pubertät wird im Kopf viel neu vernetzt
Matthias Jung erklärt: „Zuerst einmal können die Eltern beruhigt sein. Wenn man in den ersten zehn Jahren eine starke, stabile und liebevolle Eltern-Kind-Bindung hatte, brauchen unsere Kinder in der Pubertät mehr Rebellion, um sich aus dieser Bindung befreien zu können.“ Man kann sich sicher sein, dass Teenager nur dann rebellieren, wenn sie sich geliebt und sicher fühlen. Cornelia Karin Hendrich fragt: „Warum werden die Kinder plötzlich so anders?“ Matthias Jung antwortet: „Im Kopf der Kinder wird in dieser Zeit viel neu vernetzt. Es bleibt im Kopf ein „Best of“ von positiven und negativen Erinnerungen zurück.“
Matthias Jung fährt fort: „Zwei Orte sind von Bedeutung: der Ort der Gefühle, wie ich es nenne, aus diesem Bereich kommt das Überemotionale bei Teenagern. Und der präfrontale Kortex, der soll eigentlich diese Emotionen kontrollieren.“ Das Problem beim Letztgenannten ist leider, dass es als letztes umgebaut und fertig wird. Jugendliche scheinen auch teilweise Risiken zu suchen. Das liegt daran, dass die Risikoeinschätzung ebenfalls im Umbau ist. Deshalb gibt es bei ihnen dauernd Mutproben.
Ausrastende Kinder brauchen Hilfe
Der Grund ist, dass man im Ort der Gefühle sein Belohnungssystem hat, die Glücksgefühle. Wie sollen Eltern reagieren, wenn sie beschimpft werden. Matthias Jung rät: „Am besten, man denkt daran, dass die Kinder gerade ein komplettes Upgrade bekommen, auch an neuen Gefühlen, mit denen sich noch nicht umgehen können.“ Oft entschuldigen sie sich zwei Stunden nach einem solchen Ausbruch. Sie werden in dem Moment komplett hormonell überfahren.
Wenn Kinder ausrasten, brauchen sie eigentlich die Hilfe ihrer Eltern. Vor allem Mädchen werden oft laut. Wenn Teenager laut werden, muss man diese Wut irgendwie aushalten. Es bringt nichts, noch Öl ins Feuer zu gießen. Also nicht mitschreien, sondern einfach daran denken: Da kommen irgendwelche Hormonwellen. Die Pubertät hat auch ihre guten Seiten. Sie sorgt dafür, dass die Kinder nicht immer bei den Eltern in der Bude rumhocken. Das ist ja nicht Sinn der Sache. Kinder müssen sich lösen. Quelle: „Am Ende der Geduld ist noch viel Pubertät übrig“ von Cornelia Karin Hendrich in „DIE WELT“ vom 30. November 2022
Von Hans Klumbies