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Das Traumgeschehen ist ziemlich kreativ

Seit mehr als 30 Jahren sammelt Professor Michael Schredl vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim Träume. Seine eigenen – inzwischen mehr als 17.000 – und die von Personen, die seine Albtraumsprechstunde für Erwachsene aufsuchen oder an seinen Studien teilnehmen. Und er ist nicht der einzige. In Traum-Datenbanken sind zigtausende Protokolle gespeichert, nach Motiven sortiert. So lassen sich die Inhalte automatisch vergleichen und beobachten, wie sie sich über die Jahre verändern. In seinen eigenen Träumen bewegt sich Michael Schredl nur selten außerhalb der Naturgesetze. Er fliegt zum Beispiel so gut wie nie auf einem Drachen durch die Luft. „Ich träume oft realistisch“, sagt er. Als Requisiten finden sich häufig Alltagsgegenstände. Das Traumgeschehen ist dennoch ziemlich kreativ. Es werden nicht einfach Wachsituationen wiederholt, sondern viele Elemente werden zu einem schöpferischen Ganzen zusammengesetzt.

Die Pandemie hat das Traumerleben verschlechtert

Wovon träumen Menschen? Eine Online-Befragung bei 676 Personen ergab: Zwei Drittel der Träume waren negativ gefärbt. Sie handeln von Hilflosigkeit oder davon, verfolgt zu werden. Ein Viertel hat Erfreuliches zum Inhalt, wenn es etwa zu romantischen Begegnungen kommt. Die wiederkehrenden Träume scheinen Erlebnisse aus dem Wachzustand aufzugreifen. Das nächtliche Neuronen-Gewitter in Gehirnregionen, die während des Schlafs aktiv sind, erfinden also nicht alles neu. Das Gehirn bedient sich an vorhandenem Stoff und fügt ihn zu Bildern, kleinen Szenen und ganzen Filmen zusammen.

Dass sich die Realität in den Träumen der Menschen widerspiegelt, zeigen auch Pandemie-Studien. Der Tod als Motiv tauchte häufig auf. Die Pandemie hat sich ganz konkret in die Träume geschlichen. Michael Schredl zieht eine ernüchternde Bilanz: „Die Pandemie hat das Traumerleben verschlechtert.“ Krieg, Klimakrise, Katastrophen – negative Ereignisse prägen die aktuelle Realität. Und damit auch das subjektive Erleben während des Schlafs. „Gut und erholsam zu schlafen ist natürlich gut, Träume können allerdings eine Bereicherung darstellen“, sagt Michael Schredl.

Träume können ein Schlüssel zur Gefühlswelt sein

Der Traumforscher fährt fort: „Das Nachdenken über den Traum kann sehr hilfreich sein.“ So betrachtet können auch schlechte Träume ihren Wert haben. Traumforscherin Dr. Annika Gieselmann von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf betrachtet Träume aus einer pragmatischen Sicht: „Sie können uns helfen, dass wir uns besser verstehen.“ Als Verhaltenstherapeutin behandelt Annika Gieselmann häufig Menschen mit Schlafstörungen oder mit wiederkehrenden Albträumen.

Die Träume zu erforschen, steht zwar nicht im Zentrum der Therapie. „Aber ich nutze sie, um mehr über die Bedürfnisse meiner Patientinnen und Patienten zu erfahren. Manchmal funktionieren Träume wie ein Schlüssel zur Gefühlswelt“, sagt Annika Gieselmann. Die Traumforscherin fügt hinzu: „Träumende müssen selbst herausfinden, was ihr Traum für sie bedeutet. Ich stelle nur Fragen oder gebe Impulse.“ In ihrer täglichen Arbeit erlebt Annika Gieselmann: Wer sich mit seinen Träumen beschäftigt, findet leichter Antworten auf zentrale Fragen wie: „Was ist mir wichtig im Leben.“ Quelle: „Den Träumen auf der Spur“ in der „Apotheken Umschau“ vom 1. Januar 2023

Von Hans Klumbies

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