Bei einer Therapie verliert der Patient auf keinen Fall seine Würde
Es kann geschehen, dass Menschen in ihrem Leben plötzlich in eine seelische Sackgasse geraten. Die Probleme mit der Familie, den Kindern, dem Lebenspartner, vielleicht auch mit den Kollegen am Arbeitsplatz, werden immer bedrückender und die Zahl der Freunde wird immer weniger. Peter Bieri, geboren 1944 in Bern, studierte Philosophie und Klassische Philologie und lehrte als Professor für Philosophie in Bielefeld, Marburg und an der Freien Universität Berlin.
Falscher Stolz verhindert oftmals den Gang zum Therapeuten
Allerdings wird der Patient vor dem Therapeuten seine Schwäche und Ohmacht offenbaren, die er sich hier zum ersten Mal eingesteht, auch vor sich selbst. Der Therapeut lehrt ganz im Gegenteil seinen Patienten ihre eigenen Schwächen zu sehen. Peter Bieri fügt hinzu: „Das ist bereits der erste Schritt, um die Ohnmacht zu beseitigen.“ Die Arbeit mit dem Therapeuten hilft also, verlorene Würde durch wachsende Selbsterkenntnis zurückzugewinnen.
Durch die Hilfe des Therapeuten lernen die Patienten ihre Lebenslügen und Selbsttäuschungen zu durchschauen und mit sich selbst wahrhaftiger umzugehen. Peter Bieri erläutert: „Der Gang zum Therapeuten ist Ausdruck von Würde, die Verweigerung Ausdruck von falschem Stolz, der verletzte Eitelkeit als Würdeverlust missversteht.“ Wer sich bis ins Wartezimmer eines Therapeuten vorgekämpft hat, hat sich seine seelische Not, die verlorene Selbstständigkeit und das mangelnde Wissen über sich selbst eingestanden.
Von Hans Klumbies