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Die Rache ist nicht nur ein Gefühl

Bei keinem anderen Gefühl ist das Zusammenspiel von emotionalen und rationalen Elementen so komplex wie bei der Rache. Reinhard Haller weiß: „Sie ist nicht nur ein Gefühl, sondern auch ein Gedankengebilde und ein kognitiver Prozess. Sie erfasst sowohl das Gemüt als auch den Verstand.“ Die Liebe zum Beispiel folgt keinen logischen Gesetzen, kann nicht erdacht und gedanklich kaum gesteuert werden. Sie überwältigt den Menschen in seiner Gesamtheit, und sie macht ihn gleichsam blind. Und erst recht das Glück, diese einzigartige Erfüllung menschlichen Wünschens und Strebens, das man allen Definitionen zum Trotz nicht kognitiv erfassen und mit unzähligen Glücksanleitungen nicht lernen können, weil es sich letztlich um reine Emotionalität handelt. Der Psychiater und Psychotherapeut Reinhard Haller arbeitet vornehmlich als Therapeut, Sachverständiger und Vortragender.

Glücksmomente lassen sich nicht planen

Glückszustände kann man auch mit Hilfe aller Ratgeber nicht ersinnen, und Glückmomente lassen sich nicht planen. Denn sie unterliegen weitgehend den emotionalen Abläufen. Ein anderes Beispiel ist die Angst: Realangst ist rational begründet und somit für jeden nachvollziehbar und begreifbar. Sofern die Ängste jedoch einen krankhaften Charakter haben, entziehen sie sich großteils der Rationalität und sind dann unangebracht, können nicht nachempfunden werden und scheinen unlogisch.

Somit ist die neurotische Ängstlichkeit überwiegend, aber nicht ausschließlich, im emotionalen Bereich anzusiedeln. Depressionen kommen über den Menschen, oft als Reaktion auf belastende Ereignisse, oft ohne erkennbaren Grund, wie dunkle Wolken, die alles verdüstern, was es zu empfinden gäbe. Auch wenn es bei der Schwermut zu kognitiven Verzerrungen kommen kann, lässt sie sich weder gedanklich steuern noch rational begründen. Vielmehr bewegt sie sich durchgehend auf der emotionalen Schiene und spielt sich fast ausschließlich im Gefühlsleben ab.

Gefühlsimpulsen und planerisches Denken prägen die Rache

Bei der Rache ist dies ganz anders. Reinhard Haller erklärt: „Sie setzt sich aus einem variablen Zusammenspiel von aggressiven und ausgleichenden Gefühlsimpulsen und planerischem Denken zusammen.“ Treffend wird dies mit dem Ausdruck „auf Rache sinnen“ beschreiben. Darin sind permanent vorhandene Racheüberlegungen, destruktives Grübeln und zwanghaftes Ausbrüten von Racheplänen ebenso enthalten wie das gefährliche Abwarten, die Düsternis der Gefühlswelt und die nach Befreiung strebende negative Befindlichkeit.

Bei unmittelbaren Rachereflexen und impulsiv ausgeführter Rache, bei Rachehandlungen ohne „Cool off“, dominieren Affekte und emotionale Motive. Je größer die zeitliche Distanz zwischen erlittener Schädigung und verwirklichter Rache, desto stärker tritt das rationale Element in den Vordergrund. Der Racheplan wird dann differenzierter und nimmt Form an. Die Rachehandlung wird durchdachter, der „Erfolg“ wesentlich sicherer. Neben dem charakteristischen Zusammenspiel zwischen emotionalen und rationalen Psychofaktoren unterscheiden sich bei der Rache also die eigenen inneren Reflexionen wesentlich von jenen anderer Gefühle. Quelle: „Rache“ von Reinhard Haller

Von Hans Klumbies

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