Die Rache ist im Internet weit verbreitet
Das Spektrum der Rachehandlungen erstreckt sich von Lieblosigkeiten bis zu gut geplanten Bosheiten, von Gesprächsverweigerung und Beziehungsabbruch bis zur Entwertung und Verleumdung. Dazu zählen auch Schadenfreude, die Zerstörung des Eigentums anderer, zynische Kommentare, Bezichtigungen sowie schwerste körperliche Aggression. Reinhard Haller stellt fest: „Wie sehr die Rache mit der Zeit geht, sieht man an ihrer zunehmenden Verlagerung ins Internet. Die Digitalisierung macht auch vor der Rache nicht halt.“ Neben Hasspostings, Onlinemobbing und Internetstalking ist eine die Persönlichkeitsrechte verletzende Veröffentlichung von Intimfotos zu einer häufigen Eifersuchtsreaktion nach einer unfreiwilligen Trennung geworden. Aus Rachegründen werden Nacktfotos des treulosen Partners weltweit präsentiert. Prof. Dr. med. Reinhard Haller war als Psychiater, Psychotherapeut und Neurologe über viele Jahre Chefarzt einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Klinik. Heute führt er eine fachärztliche Praxis in Feldkirch (Österreich).
Impulsive Rachehandlungen erfolgen meist im privaten Bereich
Rachehandlungen können unmittelbar nach dem auslösenden Ereignis erfolgen, gleichsam reflektorisch, oder mit mehr oder weniger langer zeitlicher Verzögerung. Impulsive Rachehandlungen spielen sich meist auf einem privaten Niveau ab und finden sich auch in der Tierwelt. Sie sind nicht differenziert, wenig kontrolliert und kaum geplant. Kennzeichnend sind die Unmittelbarkeit, der nahezu reflexhafte Ablauf der Rachehandlung und deren Steuerung durch akute, heftige Effekte.
Reinhard Haller weiß: „Die körperliche Züchtigung von Kindern ist wohl eher eine primitive Rachehandlung für Unfolgsamkeit als eine überlegte Erziehungsmethode.“ Bei späteren Rachehandlungen handelt es sich meist um gut durchdachte, genau geplante, strategisch bestens vorbereitete Handlungen, bei denen der Sturm der Gefühle keine große Rolle mehr spielt. Überwiegend erfolgt die Rache direkt gegen die schädigende Person oder Gruppe, oft aber auch stellvertretend gegen deren Angehhörige, Gesinnungsfreunde, Volksgruppen oder Rassen. Kriegsgräuel und Völkermord sind die übelsten Beispiele.
Meistens entstehen Rachegefühle nach Schädigung der eigenen Person
Nicht selten wird die Rache an unbeteiligten Personen verübt, besonders wenn die eigentlichen Adressaten überlegen oder nicht mehr erreichbar sind. Mache Menschen wollen die Rache persönlich ausüben. Andere, besonders ängstliche, zurückhaltende oder auch sehr intelligente Menschen, erreichen ihr Ziel über den Umweg über Dritte. Reinhard Haller erklärt: „Über andere Opfer und Betroffene sowie andere Gegner des Schädigers, über rechtliche Instanzen oder sogar über das Schicksal.“
Sollen Rachegefühle bei anderen entfacht, angeheizt und Racheimpulse intensiviert werden, sind gute psychologische Kenntnisse und manipulative Fähigkeiten auf Seiten des rächenden „Masterminds“ erforderlich. Das klassische Rachestück dieser Art ist Friedrich Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“. Schon die Bezeichnung als „tragische Komödie“ demonstriert die ganze Widersprüchlichkeit des Rachegefühls. Meistens entstehen Rachegefühle nach Schädigung der eigenen Person oder der engsten Mitmenschen. Manchmal übernehmen die Rächer das Unrecht, welches den Mitmenschen oder anderen Volksgruppen angetan worden ist. Quelle: „Rache“ von Reinhard Haller
Von Hans Klumbies