Viele Menschen kennen keine Grautöne
Ein immer neues Schlichtungsverfahren ist der Basiskonsens der Bürgermehrheit. Sonst funktioniert die Demokratie nicht. Reinhard K. Sprenger erklärt: „Was die Gegensatzpaare zusammenhält, nennt man dialektische Spannung. Anders formuliert: Konflikt.“ Der Konflikt besteht darin, dass die Dinge erst von ihrem Gegenteil belebt werden, erst durch das Gegenteil verständlich sind. Aber dieses Gegenteil trägt auch das „Andere“ ins Leben. Das heißt, jeder Mensch hat es mit Gegensätzen zu tun, die ohne einander nicht existieren, und gleichzeitig sich wechselseitig verneinen. Das ist paradox und dennoch die Quelle vieler Konflikte. Der Grund liegt darin, dass viele Menschen nur Weiß können. Oder nur Schwarz. Lust auf Grau? Das können nur wenige. Reinhard K. Sprenger zählt zu den profiliertesten Managementberatern und wichtigsten Vordenkern der Wirtschaft in Deutschland.
Vermeiden Sie Extreme
Das wäre aber lebensnäher. Reinhard K. Sprenger betont: „Wir Menschen können etwas bejahen, ohne naiv zu sein. Wir können kritisch sein, ohne misstrauisch zu sein. Wir können leidenschaftlich sein, ohne fanatisch zu sein.“ Wer im Unternehmen keine Minderheiten fördern will, ist noch lange kein konservativer Hardliner. Wer über Selbstorganisation nachdenkt, ist noch lange kein anarchistischer Träumer. Wer gegen extreme Individualgehälter an der Firmenspitze ist, ist noch lange kein Anti-Kapitalist.
Und wer die kulturellen Gepflogenheiten in seinem Land verteidigen will, ist noch lange kein Rechtsradikaler. Versuche einer Mäßigung stecken auch in Sprachmünzen wie „konstruktive Kritik“, „soziale Marktwirtschaft“ oder auch „kontrollierte Offensive“. Es zeigt sich für Reinhard K. Sprenger in diesen Begriffen der altbekannte Unterschied zwischen Gift und Arznei – es kommt auf die Dosis an. Und da ist militante Intoleranz fast immer Gift. Reinhard K. Sprenger rät: „Vermeiden Sie Extreme; wer ins Extreme geht, kann meist nur beweisen, dass alles falsch ist.“
Man kann nicht alles haben
Dennoch sollte man skeptisch bleiben. Man sollte beharrlich fragen, ob sich das eine das andere wirklich ausschließt. Zudem sollte man überlegen, ob eine Entscheidung wirklich notwendig ist. Man kann nicht alles haben. Nicht alles zur gleichen Zeit, nicht alles in gleichem Maße, nicht alles am gleichen Ort. Aber eben doch Sowohl-als-auch. In Grautönen zu denken, hilft dabei weiter. Werte sind wie Zwillingspaare, die einander ständig ins Wort fallen.
Werte brauchen einander, kommen nicht ohneeinander aus, ergänzen sich gegenseitig. Das nennt man „antagonistisch“. Entscheidungen können in der Regel nicht durch normative Regelungen bewältigt werden, sondern durch Dialogprozesse. Dabei geht es immerfort um Balancierungen. Man sollte mithin die Illusion loslassen, man könnte die andere Seite einer Entscheidung ignorieren. Reinhard K. Sprenger weiß: „Wir sollten nicht nur und immer die eine Seite als richtig und wünschbar ausweisen – denn dadurch wird die andere Seite erst gestärkt!“ Quelle: „Magie des Konflikts“ von Reinhard K. Sprenger
Von Hans Klumbies